Warum beschreibt die Schweiz ihre Verfassung als föderal, wenn ihr offizieller Name die Helvetische Konföderation ist? Warum werden die föderalen Einheiten der USA, Australien, Indien und Malaysia als Staaten bezeichnet, wo überall sonst auf der Welt nur unabhängige Länder diesen Namen tragen? Was ist der Unterschied zwischen einer föderalen Einheit, einer autonomen Region und einem dezentralisierten Distrikt? Wie können diese Einrichtungen den Interessen ethnischer und religiöser Minderheiten dienen?

Kooperierende unabhängige Länder

Eine Konföderation ist ein mehr oder weniger in eine Institution eingebundenes System von kooperierenden unabhängigen Staaten. Sie wird normalerweise durch ein internationales Abkommen gegründet und die Mitglieder haben die Möglichkeit, die Konföderation zu verlassen. Resolutionen müssen einstimmig angenommen werden. Zumindest müssen Mitglieder, die einer Resolution entgegenstimmen, diese nicht implementieren. Konföderationen werden im Allgemeinen für die Zusammenarbeit zum Zweck der Sicherheit gegründet und haben keine Auswirkungen auf Minderheiten. Die berühmtesten Beispiele für Konföderationen sind die USA der Vergangenheit (1781-1787) und die Schweiz der Vergangenheit (18151848). Heute kann eventuell die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (CIS) als Konföderation bezeichnet werden.

Ein Land mit einer föderalen Verfassung

Trotz der Ähnlichkeit des Namens ist ein föderaler Staat eine völlig andere Sache (siehe Kasten 1). Er ist ein vollständig unabhängiger Staat. Er hat eine verfassungsmäßige Struktur, unter der ein Staat in Regionen unterteilt ist, die in verschiedenen Ländern unterschiedliche Namen annehmen, wie etwa „Staat“ in den USA, „Provinz“ in Kanada, „Land“ in Deutschland und „Kanton“ in der Schweiz.

Föderale Staaten werden im Allgemeinen aus wirtschaftlichen oder aus Sicherheitsgründen gegründet. Sie können jedoch auch dabei behilflich sein, die politische Einheit mit Multikulturalismus oder Mehrsprachigkeit zu verbinden, wie Kanada und die Schweiz verdeutlichen.

Der föderale Staat

Eine föderale Verfassung weist häufig sowohl den zentralen als auch den regionalen Behörden Befugnisse zu. Mitunter werden nur die Befugnisse des Zentrums oder der Peripherie aufgeführt und die verbleibenden der jeweils anderen Seite überlassen. In Fällen, in denen die den föderalen Staat bildenden Einheiten vor diesem bestanden und sich zur Staatsbildung vereinten, üben diese Einheiten oft die Kontrolle über verbleibende Befugnisse aus.

Die Verteilung der Befugnisse ist nicht in allen föderalen Staaten gleich; trotzdem kann man wohl feststellen, dass der Zentralregierung im Allgemeinen die Außenpolitik, Verteidigung, Einwanderung, Grenz- und Zollüberwachung, Währungs- und Finanzpolitik sowie die Staatsbürgerschaft unterstehen. Die föderalen Einheiten anderseits haben die Verantwortung für lokale Angelegenheiten. Die Regionen als solche nehmen an gesetzgebenden Funktionen der Zentralbehörden teil. Ihre Vertreter sind Mitglieder eines Oberhauses, und Verfassungsänderungen erfordern die Zustimmung der lokalen Parlamente. Normalerweise gibt es ein besonderes Tribunal für das Beilegen von Konflikten zwischen den einzelnen Regionen oder zwischen einer Region und der Zentralregierung.

Die bekanntesten föderalen Staaten sind die USA, die Schweiz, Deutschland, Australien, Brasilien, Indien Kanada und Argentinien. Gemäß ihrer Verfassung ist die Schweiz ein föderaler Staat, hat aber ihren früheren Namen einer Konföderation beibehalten. Dies erklärt den Widerspruch zwischen dem Namen und dem eigentlichen Regime.

Ein dritter, verwandter Begriff ist Föderation. Rohstoffvorkommen, die wirtschaftliche Dies ist der ideale Begriff, um Studenten zu Entwicklung, lokale polizeiliche Funktionen verwirren. Manche Leute verwenden ihn als sowie der Wohnungsbau, das Synonym für eine Konföderation, andere Gesundheitswesen und andere soziale setzen den Begriff mit einem föderalen Staat Einrichtungen. Es bestehen jedoch gleich. unterschiedliche Grade der Autonomie, und

das Ausmaß der delegierten Befugnisse variiert dementsprechend. Es kann von sehr

Antwort auf die Forderung nach

begrenzten Befugnissen bis zu einer hohen

Selbstverwaltung

Konzentration der Machtausübung auf allen Der Begriff Autonomie wird weitgehend

oder einigen ausgewählten der oben genannten Sphären reichen. Den zentralen

verwendet, mit ziemlich unterschiedlicher Behörden andererseits unterstehen

Bedeutung (siehe Kasten 2). „Territoriale politische Autonomie“ ist eine Vereinbarung,

normalerweise die Verteidigung, die die den Zweck hat, einer Gruppe, die sich von

Außenpolitik, die Einwanderung und das der Mehrheit der Bevölkerung eines Staates

Zollwesen, die makroökonomische unterscheidet, jedoch eine Mehrheit in einer

Wirtschaftsplanung und bestimmten Region darstellt, eine Möglichkeit

Finanzangelegenheiten. Die Kontrollbefugnis der Zentralregierung über die autonomen zum Verwirklichen ihrer besonderen Identität zu schaffen. Autonomie ist eine gut bekannte

Behörden beschränkt sich auf extreme Fälle, Methode, die Forderungen von Gruppen nach

wie zum Beispiel bei Machtüberschreitungen Selbstbestimmung zu befriedigen, während

oder bei Akten, welche die Sicherheit des gleichzeitig die Einheit des Staates beibehalten

Staates gefährden. wird. Die Meinungen darüber, Die berühmtesten Beispielen von Territorialer welche Minderheiten das Recht auf Autonomie Autonomie sind: Die Aland-Inseln (einehaben, gehen weit auseinander. Hinsichtlich Inselgruppe in der Ostsee, Die unter eingeborener Bevölkerungsgruppen ist sich die finnischer Herrschaft stehen, dereninternationale Gemeinschaft weitgehend einig, Hauptsprache jedoch Schwedisch ist);dass diese einen gültigen Anspruch auf Schottland; Grönland/Kalaallit Nunaat (dieAutonomie haben.

Insel, die vorrangig von einer eingeborenen Mehrheit bewohnt wird, ist Teil des dänischen Die Befugnisse einer autonomen Region betreffen im Allgemeinen das Bildungswesen,

Herrschaftsgebietes); Puerto Rico (eine Insel die Kultur, Sprache, die Umwelt, lokale

mit einer spanischsprachige Mehrheit, die Teil Planungsvorhaben, natürliche

der USA ist); Südtirol/Alto Adige (eine Provinz

Federations Dreifache Sonderausgabe: Themen der Internationalen Föderalismuskonferenz 2002

in Norditalien mit einer deutschsprachigen Mehrheit); und Hong Kong (nach seiner Rückgabe aus britischen Händen an China). Zwischen diesen verschiedenen Beispielen autonomer Gebiete bestehen große Unterschiede.

Auf den ersten Blick ähnelt die territoriale Autonomie dem System eines föderalen Staates. Man muss jedoch einige wesentliche Unterschiede beachten. In den meisten Fällen beteiligt sich die autonome Einheit als solche nicht an den Aktivitäten der zentralen Behörden, wogegen die Kantone in einem föderalen Staat (siehe Kasten 1) in den zentralen Organen eine wichtige Rolle spielen (Mitgliedschaft im Oberhaus und Teilnahme am Prozess von Verfassungsänderungen). Autonomie wird im Allgemeinen in Regionen etabliert, die einen besonderen ethnischen Charakter haben, wogegen die föderale Struktur auf das gesamte Territorium eines Landes zutrifft.

Zu guter Letzt sollte man auch den Begriff Dezentralisierung mit erwähnen. Manche Verfasser verwenden diesen Begriff als allgemeine Bezeichnung für die verschiedenen Methoden, mit denen die Befugnisse vom Zentrum in die Peripherie verlagert werden. Im engeren und genaueren Sinne jedoch bedeutet die Dezentralisierung eine begrenzteDelegierung (keine Übergabe) von Befugnissen, die der vollständigen Kontrolle durch das Zentrum unterstehen. Dezentralisierung kann auf verschiedenen Stufen bestehen, die vom Umfang der delegierten Befugnisse, vom Ausmaß der Teilnahme der lokal gewählten Vertreter undvom Grad der Überwachung durch das Zentrum abhängig sind.

Selbstverständlich passen nicht alle verfassungsmäßig geregelten Vereinbarungen in die hier aufgeführten Kategorien – wie beispielsweise der Staat Bosnien und Herzegowina.

Autonomie im Camp David-Akkord von 1978 und im Vergang von Oslo

Ist eine dieser Institutionen relevant für das Problem Israel-Palästinenser? Ein Rahmenwerk für den Frieden im Nahen Osten wurde bereits 1978 in Camp David von Ägypten und Israel unter der Vermittlung von Präsident Carter verhandelt und sah ein einstweiliges Regime „vollständiger Autonomie“ für die Westbank und Gaza vor. Die Verhandlungen für die Etablierung dieses Regimes haben jedoch nicht zu einer Vereinbarung geführt.

Erst viel später – im Jahre 1993 – erklärten sich Israel und die PLO in der Erklärung der Prinzipien der einstweiligen Selbstverwaitungsverfügungen (auch als der Osloer Akkord bezeichnet) einverstanden, einen selbstverwaltenden Palästinenserrat für fünf Jahre zu bilden. Verschiedene Verhandlungen führten zu einer stufenweiseÜbergabe der Befugnisse von der israelischen Militärregierung an die Palästinenser, die von Rückzug der israelischen Streitkräfte begleitet war. Das Regime hatte einen hohen Grad der Selbstverwaltung bzw. Autonomie, mit ausgedehnten Befugnissen und Verantwortungen in sowohl zivilen als auch sicherheitsrelevanten Angelegenheiten. Die Parteien kamen außerdem überein, die Bedingungen für einen permanenten Status der betroffenen Territorien zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden jedoch 2001 durch einen Ausbruch gewalttätiger Angriffe von Palästinensern gegen Israelis im Jahr 2000, der heftige Reaktionen Israels hervorrief, unterbrochen.

Mögliche Konföderation?

Wenn die Gewalt endet, und wir alle hoffen eindringlich, dass dies bald der Fall sein wird, werden die Verhandlungen über eine dauerhafte Lösung wahrscheinlich wieder aufgenommen. Die geographischen, strategischen und wirtschaftlichen Umstände werden eventuell zur Notwendigkeit der Zusammenarbeit führen – es ist jedoch zweifelhaft, ob die Parteien in der vorhersehbaren Zukunft eine föderale oder konföderale Beziehung etablieren können. Dem stehen ein Vertrauensverlust und bittere Erinnerungen entgegen.

Andererseits ist es gut möglich, dass zwischen Jordanien und der palästinensischen Einheit eine Konföderation gegründet wird. Bereits im Jahre 1985 drückten König Hussein von Jordanien und Yasir Arafat, der Vorsitzende der PLO, den Wunsch aus, Jordanien und den zukünftigen palästinensischen Staat in einer „Arabischen Konföderation“ zu vereinigen. Dieser Gedanke wurde erneut in einem inoffiziellen israelisch-palästinensischen Friedensplan erwähnt: im Beilin-Abu Mazin-Plan von 1995. Solch eine Konföderation wäre aufgrund der ethnischen Verbundenheit zwischen den Völkern Jordaniens und der Westbank sowie aufgrund ihrer gemeinsamen Geschichte gerechtfertigt. Sie könnte zu einer friedlichen Koexistenz mit Israel beitragen. In der ferneren Zukunft, wenn das Vertrauen wiederhergestellt ist, wäre ein trilaterales Konföderationsabkommen, das Israel mit einbezieht, durchaus vorstellbar.

Menschlicher Einfallsreichtum ist der Schlüssel

Unsere Zeit ist von zwei Phänomen geprägt: Integration oder Globalisierung auf der einen Seite, und Fragmentierung oder Subsidiarität auf der anderen.

Die gemeinsame Schirmherrschaft, die durch die Integration gebildet wird, erleichtert einemLand die Übergabe verschiedener Befugnisse an unterstaatliche oder regionale Einheiten. Beim Auswählen der verschiedenen Methoden zur Verteilung der Macht – Föderalismus, Autonomie, Dezentralisierung oder eine Kombination dieser – müssen alle relevanten Umstände wie zum Beispiel Geographie, Demographie, Geschichte, Tradition und Kultur sowie wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden.

Die meisten der oben genannten Wege zur Diffusion sind flexibel und können an die jeweiligen Bedürfnisse der Länder angepasst werden. Darüber hinaus besteht kein Zwang zur Wahl einer der vorher erläuterten Lösungen, und der menschliche Erfindergeist kann für neue Situationen neue Regime erfinden.

Federations Dreifache Sonderausgabe: Themen der Internationalen Föderalismuskonferenz 2002