Im letzten Jahr hat sich Italien einem bedeutenden Verfassungsreformprozess unterzogen, der die Rolle der Regionen und lokalen Behörden und ihre internationalen und europäischen Beziehungen stärkt. Seit langem ist der Föderalismus eine wichtige Strömung im politischen Gedankengut Italiens, und im vergangenen Jahrzehnt haben viele Italiener für eine zunehmende Dezentralisierung und „Föderalisierung“ plädiert (siehe Kasten).

Am 8. November 2001 trat eine wichtige Reform des Verfassungsabschnitts, der sich mit den Regionen und lokalen Behörden befasst, nach Verabschiedung durch das Parlament und Bestätigung durch ein Referendum in Kraft (Verfassungsgesetz Nr. 3 von 2001).

Obwohl diese Reform heiß debattiert wurde, passt sie Italien an das Phänomen der Regionalisierung und der Föderalisierung der öffentlichen Macht an – ein Prozess, der bereits in weiten Teilen der Europäischen Union stattfindet.

Heute haben 8 von insgesamt 15 europäischen Staaten regionale Verwaltungen, die im politischen Prozess eine größere (Deutschland) oder eine kleinere (Frankreich) Rolle spielen und auf Verfassungsebene bis zu einem bestimmten Grad mit oder ohne Gesetzgebungsmacht ausgestattet sind. Polen hat die regionale Verwaltung mit der Zielstellung umorganisiert, den Beitritt zur Europäischen Union zu ermöglichen.

In der Verfassung verankerte Machtbefugnisse

Zu den in dieser Reform verfassungsrechtlich verankerten Änderungen gehört, dass die Gemeinden, Provinzen, Stadtgebiete, Regionen und der Staat (die zentrale Regierung) als Teile einer Republik mit jeweils gleichwertiger Würde betrachtet werden und damit die absolute Gleichstellung von Staat und Republik abgelehnt wird.

Eine wichtige Entscheidung des Italienischen Verfassungsgerichts (Nr. 106 von 2002) erklärt deutlich, dass gemäß

Federations

Die föderale Idee in der Geschichte Italiens

Italien wurde zwischen 1861 und 1870 zu einem einheitlichen Staat, als die Savoy-Dynastie (die zu diesem Zeitpunkt die Regionen Piemont und Sardinien regierte) andere Staaten und Herrschaftsbereiche der italienischen Halbinsel (Kirchenstaat, Herrscher über die zwei Teile Siziliens und andere Staaten unter direkter oder indirekter Kontrolle des österreichischen Kaiserreiches) zusammenschloss. Die italienischen Territorien wurden erst nach dem Ersten Weltkrieg vereint, als sich Trent und Triest dem italienischen Herrschaftsbereich anschlossen.

In der ersten Periode des staatsbildenden und nationsbildenden Prozesses stand die Frage der regionalen Autonomie – obwohl diese in intellektuellen Kreisen debattiert wurde – nicht auf der politischen Tagesordnung; die Suche nach einer nationalen Identität war zu wichtig. Der Fokus des autoritären faschistischen Regimes (1922-1943) verblieb auf dem Ausbau des Nationalismus, der für regionale Unterschiede keinen Platz ließ.

Erst die demokratische Verfassung vom 1. Januar 1948 erkannte die Regionen als politische Entitäten mit Machtansprüchen in der Gesetzgebung und Verwaltung an: fünf der Regionen (Aosta-Tal, Trentino-Alto Adige, Friuli-Venedig Giulia, Sardinien, Sizilien) erhielten einen speziellen Status aufgrund ihrer Verfassungsrechte, die auf ethnischen und sprachbedingten Besonderheiten oder ihrer Insularität beruhten. Diese Regionen konnten sofort nach dem Inkrafttreten der Verfassung mit dem eigenen Aufbau beginnen (1963 für Friuli-Venedig Giulia, als ein internationaler Vertrag den Status von Triest regelte). Die übrigen 15 Regionen konnten erst in den siebziger Jahren funktionieren, als die Regionalräte gewählt wurden (im Jahre 1970) und als die neuen regionalen Statusregelungen 1972 endgültig durch einen Parlamentsbeschluss verabschiedet wurden.

In den neunziger Jahren bildete sich ein starker politischer Druck nach Subsidiarität und Föderalismus in Italien aus. Die Belastung der Wirtschaft durch Politik und Verwaltung war zu hoch; die nördlichen Regionen (Piemont, Lombardei, Veneto), deren Wirtschaftssysteme schneller als die des übrigen Italiens wuchsen, befürchteten, dass Italien nicht der Europäischen Union würde beitreten können und forderten daher, den Regionen Machtbefugnisse zu entziehen. Außerdem konnte eine Suche nach anderen lokalen Lösungen für Wohlfahrtorganisationen beobachtet werden. Die Präsidenten der nördlichen Regionen (und die Präsidenten der effizienteren Regionen wie zum Beispiel Emilia-Romagna, Toskana, Puglia und Marche) entwickelten eine autonome internationale Politik und versuchten, die Bemühungen der regionalen Wirtschaften zu unterstützen. Der zentrale Staat wurde als unproduktiver Mechanismus wahrgenommen, und die Bürger forderten, dass entscheidungswichtige Prozesse bezüglich lokaler Angelegenheiten (d. h. Finanzierung lokaler Volkswirtschaften, Bildung, Gesundheitswesen, örtliche Artikel 1 der Verfassung das einzige die Kriterien, die vorher angewendet souveräne Subjekt das Volk, und nicht der wurden. Staat ist. Darüber hinaus leiten lokale und

Vor dieser Reform fielen nur solche regionale Institutionen ihre Legitimität Angelegenheiten in dengenauso vom Volk ab wie das Nationale Verantwortungsbereich der Regionen, die Parlament und die Regierung.

ihnen in den Verfassungen ausdrücklich

Die verfassungsrechtliche Reform führt eine zugewiesen wurden. Die neue

neue Teilung der legislativen Macht Verfassungsverfügung legt die

zwischen der zentralen Regierung und den Verantwortungsbereiche fest, die von der

einzelnen Regionen ein und verwirft damit zentralen Regierung wahrgenommen und

Dreifache Sonderausgabe: Themen der Internationalen Föderalismuskonferenz 2002

die von den entsprechenden Legislaturorganen der Zentrale und der Regionen regiert werden. Über alle anderen Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich für das Zentrum reserviert sind, haben die Regionen legislative Entscheidungsfreiheit ohne Einmischung des Zentrums.

Die zentrale Regierung übt vorrangige Entscheidungsgewalt in einer Reihe von Schlüsselbereichen aus:

  • Außen- und Verteidigungspolitik

  • Koordinierung auf europäischer Ebene

  • Staatsbürgerschaftsfragen

  • die Organisation der Justiz

  • Zivil- und Strafrecht

  • lokale Behörden

  • Umweltschutz

  • gleichwertigen Schutz von Zivil- und Sozialrechten auf nationaler Ebene.

Gleichgestellte gesetzgebende Organe werden in den Sektoren der Infrastruktur, Wohlfahrt, des Arbeitsrechts sowie in der Stadt- und Gebietsplanung anerkannt. So fallen unter anderem Landwirtschaft, Kunsthandwerk, Handel, Tourismus, Industrie, Nahverkehrssysteme und öffentliche Arbeiten ausschließlich unter die regionale Gesetzbarkeit.

Die Liste ist nicht vollständig und es gibt zweifelsohne Angelegenheiten, in denen die Verfassung den verantwortlichen Entscheidungsträger nicht genau festlegt. Es ist sicher unmöglich, eine Liste von Entscheidungs- und Verantwortungsbereichen zu erstellen, die absolut alle Punkte in Betracht zieht. Die Geschichte der Verfassungsgerichte und Obersten Gerichtshöfe föderativer Staaten ist „gefüllt mit Rechtsfällen, die die Gesamtfrage der Rolle und Machtausübung der staatlichen Regierung im Gegensatz zu den Rollen und Machtbereichen der einzelnen Föderationsgebiete unter ständig neuen Umständen klären soll“ (Präsident Clintons Rede über den Föderalismus vom

8. Oktober 1999 in Mont-Tremblant, Quebec, Kanada, die auf folgender Website des Forums verfügbar ist: www.forumfed.org).

Wer übernimmt welche Aufgabe, internationale Beziehungen, Finanzen

Zusätzlich zum Abstecken von Rechtsbereichen nach besten Möglichkeiten, verteilt die Verfassungsreform auch die Verwaltungsfunktionen neu. Sie versucht, die Rollen und Aufgaben in Übereinstimmung mit den Prinzipien der „Einheit, Subsidiarität, Differenzierung und Gleichberechtigung“ zu rationalisieren, um aktuell populäre Ausdrücke Europas zu verwenden. Als Ergebnis haben Städte und Gemeinden erweiterte Verwaltungsrollen, und die Regionen haben die Verantwortung für die Verwaltung von Angelegenheiten, die von ihnen gesetzlich geregelt werden.

Hinsichtlich der internationalen und europäischen Beziehungen öffnet die Reform interessante Zukunftsprognosen für die Regionen. Sie erwähnt „internationale und europäische Beziehungen“ und die Möglichkeit, dass zwischen den Regionen Italiens und anderen sub-nationalen Subjekten Abkommen unterzeichnet werden können.

In Bezug auf finanzielle Autonomie verfügen die Städte, Provinzen, Stadtmetropolen und Regionen trotz der Tatsache, dass die verfassungsrechtlichen Änderungen nicht das Prinzip der ausschließlichen Verwendung von Steuereinnahmen im Einzugsgebiet vorsehen, über autonome Ressourcen, erhalten einen Teil der in ihrem Gebiet eingenommenen Steuern und entwerfen ihre eigenen Besteuerungs- und Gebührensysteme. Die Koordinierung der öffentlichen Finanzen fällt gleichzeitig in den Rechtsbereich der zentralen Regierung und der Regionen.

Untersteht nicht dem Zentrum

Ein weiterer Aspekt der Reform ist, dass die zentrale Regierung keine Kontrolle mehr über die regionale Gesetzgebung ausübt. Regionale Gesetze treten nun in Kraft, sobald sie vom Regionalrat verabschiedet und vom Präsidenten der Region unterzeichnet wurden. Den Regionalkommissar der zentralen Regierung gibt es nicht mehr.

Zusätzlich zu den gesetzlich garantierten Machtbereichen können die Regionen nun „spezielle Autonomiebedingungen“ für gleichgestellte Gesetzgebungsverantwortung beanspruchen (zum Beispiel Gesundheit, Berufswesen, Beschäftigung, Infrastruktur, Bildung usw.), und zwar in Angelegenheiten, in denen die zentrale Regierung die ausschließliche Gesetzgebungsgewalt hat (die Organisation der grundlegenden Justizebene, die Umwelt und Richtlinien im Bildungswesen).

In der Frage der Wahlen bestimmt das neue Verfassungsrecht, dass die Präsidenten der Regionen direkt durch das Volk gewählt werden sollen. Vorher wurde der Präsident vom Regionalrat gewählt. Die neue Verfassungsverfügung stipuliert weiterhin, dass die regionalen Statuten Beschlüsse der regionalen Autonomie darstellen, die von den Räten verabschiedet werden müssen und keiner Bestätigung durch die Zentralregierung bedürfen.

Im Fall möglicher Verstöße gegen die Verfassung können regionale Gesetze und Statuten von der zentralen Regierung vor das Verfassungsgericht gebracht werden.

Die Reform legt fest, dass ein Volksentscheid gegen das Statut von 1/50 der regionalen Wählerschaft oder von 1/5 der regionalen Abgeordneten gerechtfertigt werden kann. Außerdem plant die Reform langfristig, dass ein Rat der Lokalen Autonomie als verbindendes Organ zwischen der Region und den lokalen Behörden gegründet werden sollte.

Noch viel zu tun

Italien sieht sich gegenwärtig von den Schwierigkeiten im Abschließen und Implementieren der Verfassungsreform herausgefordert.

Hinsichtlich des Abschließens konzentriert sich der Schwerpunkt der politischen Debatten auf die Notwendigkeit einer Kammer der Regionen, welche die politischen regionalen Instanzen auf zentraler Ebene repräsentieren kann, sowie auf die Notwendigkeit einer regionalen Präsenz im Verfassungsgericht. (Italien hat zwei politische Häuser, die beide nach denselben Kriterien zusammengesetzt und an der Wahl der Regierung beteiligt sind. Das Verfassungsgericht besteht aus 15 Richtern, von denen 5 vom Parlament in allgemeiner Sitzung gewählt, 5 vom Präsidenten der Republik akkreditiert und 5 von den Obersten Zivil-, Verwaltungs- und Rechnungshofgerichten bestimmt werden.)

Der Zweck der Bildung der neuen institutionellen Mechanismen besteht darin, die Regionen im neuen, „mehr föderalen“ Italien stärker in den politischen Entscheidungsprozess der zentralen Regierung einzubeziehen.

Was einen Zeitplan zum Umsetzen der Reform in die Praxis betrifft, sind die italienischen Behörden stärker an den Kapazitäten der Regionen interessiert, die zum Ausüben ihrer neuen und größeren Rolle erforderlich sind. Schließlich müssen die Regionen neue Befugnisse zur Gesetzgebung übernehmen, und die Italiener müssen eine praktische Arbeitsteilung für die Aufgaben auf der jeweiligen Verwaltungsebene finden. Außerdem wurde Italien vor die Aufgabe gestellt, einen finanziell rechenschaftspflichtigen Föderalismus aufzubauen. Die Herausforderung besteht darin, bessere öffentliche Dienste zu garantieren und gleichzeitig ein Element der Gleichheit einzuführen, das die finanziellen Ressourcen der ärmeren Landesregionen verbessert, ohne die italienische Ökonomie als Ganzes zu belasten.

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