THEMA II: DEZENTRALISIERTE STAATSFORMEN UND KONFLIKTPRÄVENTION

Der philippinische Senator Aquilino Pimentel

Föderation als Konfliktlösung für Mindanao?

SenatorAquilino Pimentel ist einer der führenden Kräfte in der Bewegung zum Bilden eines föderalen Systems in den Philippinen. Die von Herrn Pimentel und anderen angeführte nationale Bewegung begann im November 2000 und hat heute die Unterstützung von 22 Mitgliedern des 24-köpfigen Senates der Philippinen. Senator Aquilino Pimentel wurde 1980 zunächst zum Bürgermeister von Cagayan de Oro City und 1984 in die Nationalversammlung von Präsident Marcos gewählt. Nach dem Absetzen von Marcos machte Präsidentin Cory Aquino Herrn Pimentel zum Sekretär des Innern und der lokalen Regierungen. Im Jahre 1987 wurde er in den Senat gewählt. Seine Website www.nenepimentel.org weist außerdem auf seine Internierung unter der Marcos-Diktatur hin.

Das Mitglied des Forums Carl Stieren interviewte Senator Aquilino Pimentel in Ottawa im May 2002.

Federations: Wie sieht Ihr Vorschlag für ein föderatives System in den Philippinen aus?

Pimentel: Im Grunde genommen schlagen wir für die Philippinen ein föderatives Staatssystem mit 10 Staaten vor. Vier der Staaten würden sich in Luzon, drei in Visayas und drei weitere in Mindanao befinden. Die eigentlichen Territoriengrenzen für jeden der föderalen Mitgliedsstaaten müssten durch einen Verfassungsbeschluss oder durch eine Verfassungsmitgliederversammlung zur Verfassungsänderung definiert werden. Der Vorschlag für die Staaten enthält auch linguistische Schwerpunkte.

In Mindanao würde es außerdem einen Staat namens Bangsamoro geben für die Mauren bzw. Muslime, wie sie andernorts bekannt sind.

Federations: Warum unterstützen Sie die Übernahme des Föderalismus(konzepts) in den Philippinen?

Pimentel: Zwei Gründe: Einer ist die Wirtschaft, der andere das Recht und Gesetz.

Der erste Grund würde auf die gesamte, von uns vorgeschlagene föderative Republik zutreffen, da wir momentan ein vereintes Regierungssystem haben und das Zuteilen von Fonds für die weitabgelegenen Regionen des Landes sehr kompliziert und schwierig wird. Darüber hinaus würden wir uns schämen, ständig von der Regierung in Manila abhängig zu sein, um für die entsprechenden Wahlkreise im ganzen Land etwas zu erreichen. Daher sind wir der Meinung, dass zum Beschleunigen der Entwicklung des Landes der Aufbau eines föderativen Systems helfen kann.

Damit könnten die föderalen Staaten ihre eigenen Ressourcen nach eigenem Gutdünken verwenden.

Und für die Gebiete, denen Ressourcen fehlen – da offensichtlich nicht alle Gebiete ausreichend mit den erforderlichen Ressourcen ausgestattet sind – werden wir wahrscheinlich aus den Erfahrungen Australiens lernen müssen, das einen so genannten „Ausgleichsfonds“ hat. Wie ich weiß, hat Kanada ein sehr ähnliches System, in dem die föderale Regierung über verschiedene Fonds verfügt, die den Provinzen bei Bedarf überwiesen werden können.

Ein zweiter Grund für die Adoptierung einer föderativen Struktur liegt in der Notwendigkeit, in Mindanao einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen sowie im gesamten Land ein besseres Rechts- und Gesetzsystem aufzubauen. Wir sind davon überzeugt, dass wir den ständigen, jahrhundertealten bewaffneten Konflikten der Muslime in Mindanao nur durch die Durchsetzung eines föderalen Systems Einhalt gebieten können, in dem die Muslime ihren eigenen Staat namens Bangsamoro bekommen.

Federations: Im Jahre 1987 wurden Sie von Präsidentin Cory Aquino zum Chefunterhändler für die muslimischen Rebellen bestimmt. Was mussten Sie zur Erfüllung dieser Aufgabe tun?

Pimentel: Das Treffen mit der ersten Rebellengruppe

Nun, das war ziemlich schwierig. Ich musste nach Jedda in Saudi Arabien reisen, um Professor Nur Miswari, den Führer der Muslimischen Nationalen Befreiungsfront (MNLF) zu treffen. Wir hatten dort eine lange Unterredung, die zu einer vorläufigen Vereinbarung zur Fortsetzung der Gespräche auf philippinischem Boden führte. Dies war eigentlich der Hauptzweck der Reise: versuchen, ihn zur Rückkehr in das Land zu bewegen, anstatt die Verhandlungen im Ausland zu führen. Wir brachten ihn dazu, dem zuzustimmen, und er schickte seinen Vertreter. Er selbst kehrte zu diesem Zeitpunkt nicht in die Philippinen zurück, entsendete aber einen seiner Spitzengeneräle, um sich mit uns zu treffen.

Anschließend musste ich mich nach Kuala Lumpur begeben, um den Führer einer Fraktion der MNLF, die sich von der Hauptgruppe der Rebellen abgespalten hatte, zu überzeugen, durch seine Rückkehr der Regierung eine weitere Chance zu geben. Und er kehrte tatsächlich zurück.

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Das Treffen mit der zweiten Rebellengruppe

Im nächsten Schritt musste ein Treffen mit dem so genannten „Field Commander“ der Muslimischen Nationalen Befreiungsfront (MNLF), Haji Murad, organisiert werden. Mit ihm konnten wir leichter Kontakt aufnehmen, da er sich zu diesem Zeitpunkt in Mindanao befand; so sprach ich mit ihm. Ich bat ihn in gleicher Weise, der neuen Regierung eine Chance einzuräumen und keine gewalttätigen Aktionen weiter zu planen. Ich versicherte ihm, dass wir mit der neuen Regierung durchaus verhandeln könnten. Was die MILF betrifft, begannen unsere Gespräche in Manila und wurden später nach Zamboanga verlegt, das sich in Mindanao befindet.

Danach musste ich dieses Forum verlassen, da ich mich damals um einen Posten im Senat bewarb, und ein neuer Unterhändler übernahm die Aufgabe – der frühere Vizepräsident Emmanuel Pelaez.

Im Anschluss daran rissen die Gespräche ab, sie endeten sozusagen.

Federations: Haben sich die Rebellengruppen in den Philippinen dahingehend geäußert, dass sie einer föderalen Lösung eventuell zustimmen würden?

Pimentel: Zum Zeitpunkt meiner Verhandlungen mit den Rebellen fanden keine ernsthaften Gespräche über den Föderalismus statt. Die Gespräche drehten sich um Abspaltung und Unabhängigkeit und wir versuchten, der Formel zu folgen, die Marcos der MNLF vorgeschlagen hatte und die das Bilden einer autonomen Region anstatt eines föderalen Staates vorsah. Außerdem rissen die Gespräche, wie ich bereits erwähnte, kurz nach meinem Ausscheiden ab. Dann war im Jahre 1987 bereits die neue Verfassung des Landes in Kraft getreten, die sich für das Bilden einer autonomen Region für die Muslime von Mindanao aussprach. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits im Senat war, reichte ich die Gesetzesvorlage zum Aufbau der autonomen Region im muslimischen Mindanao ein und ergänzte sie mit einigen Einzelheiten. Sie wurde von beiden Häusern des Kongresses angenommen. Im Jahre 1988 schließlich wurde die autonome Region gegründet, und sowohl für den regionalen Gouverneur als auch die Mitglieder der Regionalversammlung fanden Wahlen statt.

Diskussionen mit der ersten Rebellengruppe

Dies war die Regierungsstruktur, die wir für die Muslime in Mindanao hatten. Im Verlauf der Jahre wurde dann allerdings klar, dass diese mit dieser Lösung nicht zufrieden waren. Nur Miswari konnte von Präsident Ramos überzeugt werden, es mit einer autonomischen Region als Lösung zu versuchen. Tatsache ist, dass er sogar dazu bewegt werden konnte, für die Wahl zum Gouverneur der autonomen Region anzutreten, und wurde tatsächlich zum Gouverneur gewählt. Am Ende seiner Amtszeit jedoch, die 2001 zu Ende ging, musste er einsehen, dass er nicht wiedergewählt werden konnte, da er das Experiment – das Originalexperiment einer autonomischen Region – einer Misswirtschaft ausgesetzt hatte und selbstverständlich zu seiner Rechtfertigung Zweifel an der Eignung der Struktur für ihre Zwecke anmeldete. So rebellierte er wieder und begann einen bewaffneten Konflikt mit der Regierung. Die Regierung zerschlug diese Rebellion und Miswari musste nach Malaysia fliehen, von wo aus er vor Kurzem – in diesem Jahre – an die Philippinen ausgeliefert wurde. Er muss sich nun für die Rebellion vor Gericht verantworten.

Die zweite Rebellengruppe verhandelt

Während dieser Vorfälle, das heißt ein paar Monate davor, regte sich auch die Muslimische Islamische Befreiungsfront unter der Führung von Salamat Hashim, dem Vorsitzenden der MILF, und provozierte Zusammenstöße mit der Regierung – bewaffnete Zusammenstöße –, die dazu führten, dass die Regierung unter der damaligen Präsidentschaft von Joseph Estrada Truppen zur Zerschlagung des Aufstandes von Salamat Hashim entsandte. Die Regierungstruppen vertrieben die Rebellen aus ihren Lagern und zwangen Salamat, sich zu verstecken. Vor Kurzem gab es... nun, eine Art Verhandlungen zwischen der Regierung und Abgesandten Salamat Hashims, die bisher zu gewissen Vereinbarung geführt haben, die ich persönlich leider nicht als geeignet sehe, den bewaffneten Aufstand der Muslime bzw. Mauren in Mindanao zu beenden.

Der Grund für meine Missbilligung ist, dass es anscheinend keine strategische Formel gibt, die den Muslimen in Mindanao angeboten wird, um sie von ihren Abspaltungsbemühungen abzubringen. Ich befürchte, dass die Regierung hier nur versucht, Zeit zu gewinnen. Wir wollen weitere Konflikte mit den Muslimen der MILF-Fraktion vermeiden, da wir in unserem Land so viele andere Probleme haben. Die MILF ihrerseits nimmt an den Verhandlungen mit der Regierung nur teil, um Zeit zur Aufrüstung ihres eigenen Arsenals zu gewinnen und sich möglicherweise für die nächsten Kampfhandlungen vorzubereiten. Ich begründe meine Meinung darauf, dass in meinen Gesprächen mit Nur Miswari, Salamat Hashim, Haji Murad und mit allen anderen muslimischen Politikern sowie ihren traditionellen Führern und Akademikern im ganzen Land die von mir vorgeschlagene Lösung als einzig richtige anerkannt wird: die Adoptierung eines föderativen philippinischen Staates, in dem die Muslime ihren eigenen föderalen Staat namens Bangsamoro haben.

Federations: Welche Gruppen unterstützen den Vorschlag eines föderativen Systems und welche Gruppen sind dagegen? Teilt sich die Meinung entlang der Parteilinien oder auf wirtschaftlicher Ebene?

Pimentel: Ich glaube nicht, dass der Vorschlag von der Partei abgelehnt wird. Der Widerstand hat seine Ursachen im Wissensmangel oder aus Unkenntnis darüber, dass sich ein föderatives System in der Tat als vorteilhaft für das philippinische Volk erweisen kann. Bisher haben wir Unterstützung von Politikern, einigen Senatoren, Kongressabgeordneten einschließlich des Sprechers des Repräsentantenhauses, prominenten Geschäftsleuten und Akademikern sowohl von muslimischer als auch christlicher Seite erhalten - glauben aber dennoch, dass noch ein Großteil an Überzeugungsarbeit vor uns liegt. Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten, da wir den Schleier der Unkenntnis liften müssen, der diesen Sachverhalt in den Köpfen vieler Bürger verzerrt.

Federations: Welche Auswirkungen hatten die Angriffe des 11. September in den USA auf die Chancen einer friedlichen Beilegung der Konflikte in den Philippinen?

Pimentel: Nun, die Ereignisse vom 11. September haben meiner Meinung nach eine Menge Denkmuster geändert, darunter sicherlich auch die weltweiten Ansichten über die Souveränität. Es sieht so aus, als ob die dominierende Weltmacht - die USA - sich herausnimmt, das Ausmaß der Souveränität anderer Nationen zu definieren, um es ganz deutlich zu sagen. Darüber hinaus halten sich die USA nun auch noch in meinem Land auf, mit unserer Erlaubnis sogar, da wir mit ihnen früher ein so genanntes „Militärbesuchsabkommen“ abgeschlossen hatten. Dieses Abkommen berechtigt die USA, in den mit der philippinischen Regierung vereinbarten Gebieten Truppen zu stationieren.

So sind sie beispielsweise momentan in der Provinz Basilan, in der die Bande Abu Sayyafs operiert. Ich muss hier aber unbedingt noch hinzufügen, dass hinsichtlich der Stationierung der US-Truppen in dieser Region einer meiner Vorschläge befolgt wird: dass sie sich in keinerlei Waffengefechte gegen die Abu Sayyaf einlassen dürfen. Sie müssen die Abu Sayyaf unbedingt den philippinischen Streitkräften überlassen.

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