In der Vergangenheit bedeutete der Begriff „Außenpolitik“ vorrangig Krieg und Frieden sowie Sicherheit der Grenzen. Im industriellen Zeitalter wurden zur außenpolitischen Thematik außerdem Zollregelungen, die Förderung nationaler Händler und der Außenhandel hinzugefügt. Von dieser Perspektive aus gesehen involvierte die Außenpolitik die Föderationssubjekte einer Länderföderation nicht direkt.

Heute jedoch, besonders in einem sich schnell ändernden internationalen System, umfasst die Außenpolitik eines Landes viel mehr als diese Aspekte. Neben der nationalen und gemeinschaftlichen Sicherheit und dem internationalen Handel befasst sich die Außenpolitik mit solchen Themen wie Auslandsinvestitionen, Lebensbedingungen, Kooperation auf humanitärer Ebene, Umwelt, Energiepolitik, Kommunikation, Transport usw. Zielstellungen wurden weiter verzweigt, und der geografische Rahmen für Politik bestimmende Faktoren hat sich von einer nationalen und bilateralen auf eine regionale und internationale Ebene erweitert.

Lokale, nationale und internationale öffentliche Politik greift ineinander ein und reflektiert damit strukturelle Änderungen wie beispielsweise die Internationalisierung verschiedener Aktivitätenbereiche sowie die technologische Evolution. Ökonomische Bedingungen – insbesondere in Krisenzeiten – wirken sich beträchtlich auf das Ausmaß aus, in dem ausländische und nationale politische Interessen miteinander verknüpft werden. Heutzutage ist kein Land gegen die globale wirtschaftliche Entwicklung immun. Im Gegenteil – in den 90er Jahren hatte die Weltwirtschaftskrise ein wahrhaft globales Ausmaß erreicht. Die Krise von 1997-1999 hat nahezu alle Länder betroffen, während die Sowjetunion und die übrigen sozialistischen Länder in früheren Zeiten von weltweiten Marktentwicklungen in gewissem Maße verschont geblieben waren.

Entlag der „Frontgrenze“

Die Russische Föderation ist ein riesiges Land mit zahlreichen Regionen, die nur spärlich bevölkert sind. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt im kleineren europäischen Teil des staatlichen Territoriums. Der größere Landesteil östlich des Urals hat eine niedrigere Bevölkerungsdichte.

Mehr als ein Drittel aller Föderationssubjekte befinden sich entlang der Landgrenzen der Russischen Föderation. Wenn wir die Föderationssubjekte dazuzählen, die sich entlang russischer Seegrenzen befinden, wird klar deutlich, dass die meisten Föderationssubjekte innerhalb der „Frontgrenze“ der Russischen Föderation liegen und ein natürliches Interesse an einer adäquaten Regulierung der wirtschaftlichen Grenzaktivitäten und der grenzüberschreitenden Kooperation haben.

Die Grenze mit verschiedenen früheren Sowjetrepubliken (wie beispielsweise Weißrussland oder Kasachstan) ist mehr eine virtuelle als eine reelle Grenze, und eine lange Geschichte freundschaftlicher Beziehungen verbindet mehrere Föderationssubjekte der Russischen Föderation mit den früheren Sowjetrepubliken Kasachstan, der Ukraine und Weißrussland.

Zahlreiche in der Russischen Föderation lebende Völkergruppen haben enge ethnische und kulturelle Beziehungen mit den in den Nachbarländern lebenden Gruppen. All diese Faktoren tragen dazu bei, das Interesse der Föderationssubjekte der Russischen Föderation zu fördern, an der russischen Außenpolitik mitzuwirken.

Wunsch nach mehr Kontrolle

Am Beginn der 90er Jahre – während des Prozesses des Auseinanderfalls der Sowjetunion – bestanden einige Föderationssubjekte der Russischen Föderation auf ihrem Recht auf vollständige Unabhängigkeit oder zumindest einen speziellen Status innerhalb der Russischen Föderation. Dazu gehörten die Tatarische Republik (ein wichtiger Erdölproduzent) und die Sakcha (Jakutische) Republik (ein bedeutender Diamantförderer), die beide ihre neue Gesetzbarkeit und außenpolitischen Interessen bekannt gaben.

Weder die Russische Föderation noch die internationale Gemeinschaft hat die Föderationssubjekte der Russischen Föderation außenpolitisch oder völkerrechtlich anerkannt. In der Zwischenzeit hat die Realität bewiesen, dass die Entwicklungsperspektiven oder sogar das Überleben dieser Regionen ohne die Kooperation mit der Russischen Föderation nicht zukunftsträchtig sind. Ende 1990 wurde deutlich, dass eine separate Außenpolitik für die meisten Föderationssubjekte eher Belastungen als Vorteile brachte. Andererseits bestand (und besteht) die Tatsache, dass Föderationssubjekte in ihrer gegenwärtigen Situation eigenes Interesse an einer transnationalen Kooperation hatten (und haben). Das Problem besteht demzufolge darin, wie beim Verfolgen außenpolitischer Zielstellungen landesweite und regionale Interessen in der Außenpolitik mit regionalen Interessen harmonisiert werden können, ohne nationale Interessen zu beeinträchtigen.

Die Rolle der föderativen Organe

In der russischen Verfassung von 1993 ist verankert, dass die Russische Föderation Machtausübungsprivilegien in den Bereichen der Außenpolitik und internationalen Beziehungen, internationaler Verträge sowie der ökonomischen Beziehungen mit dem Ausland hat. Die Regierung der Russischen Föderation besteht auf der ausschließlichen Ausübung der Außenpolitik innerhalb der Befugnisse der staatlichen Institutionen. Sie erkennt jedoch gleichzeitig eine gewisse Rolle für die Repräsentanten der Föderationssubjekte hinsichtlich transnationaler Aktivitäten an.

Federations Dreifache Sonderausgabe: Themen der Internationalen Föderalismuskonferenz 2002

Die Russische Föderation verfügt über Mechanismen, die Repräsentanten der Föderationssubjekte in entscheidungsfindende, die Außenpolitik betreffende Prozesse der staatlichen Regierung mit einzubeziehen. So verfügt beispielsweise der Föderationsrat (das Oberhaus der Zentralregierung, das aus Repräsentanten der Föderationssubjekte besteht) über Ausübungsrechte zum Verabschieden (oder zum Ablehnen) von Dekreten des russischen Präsidenten bezüglich der Einführung des Kriegsrechts sowie das Recht, über das Stationieren der russischen Armee außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation zu entscheiden. Darüber hinaus obliegt dem Staatsrat das Verabschieden oder Zurückweisen der Gesetze, die von der Staatsduma (dem anderen Haus des russischen Parlaments, d. h. der Föderationsversammlung) angenommen werden. Gemäß der Verfassung gilt ein Gesetz als vom Föderationsrat verabschiedet, wenn der Föderationsrat innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Entscheidung über dieses Gesetz trifft.

Der Föderationsrat muss jedoch Gesetze mit bestimmtem Inhalt einer Überprüfung unterziehen. Dazu gehören die Ratifizierung oder die Zurückweisung von internationalen Verträgen der Russischen Föderation, Gesetze über den Status und den Schutz der Grenzen der Russischen Föderation, Krieg und Frieden, Währungsbelange, Kredit und Zollbestimmungen. Gemäß der Verfassung akkreditiert und entlässt der russische Präsident die diplomatischen Repräsentanten der Russischen Föderation in ausländischen Staaten und internationalen Organisationen nur nach Absprache mit den entsprechenden Komitees und Kommissionen der Föderationsversammlung (d. h. des Föderationsrates und der Staatsduma). Daher hat der Föderationsrat die verfassungsrechtliche Verantwortung, bei außenpolitischen Entscheidungen eine bedeutende Rolle zu spielen.

Von 1996 bis 1999 waren der Vorsitzende der Regierungsexekutive und der Sprecher der Legislatur eines jeden Föderationssubjekts ehemalige (ex officio) Mitglieder des Föderationsrates. Im Jahre 1999 wurde ein neues Gesetz zur Bildung des Föderationsrates angenommen.

In Übereinstimmung mit diesem neuen Gesetz delegiert jede regionale Legislatur und jede regionale Exekutive einen eigenen Repräsentanten als Mitglied des Föderationsrates. Das Gesetz enthielt Vorkehrungen für eine Übergangsperiode bis Ende 2001, als die Vorsitzenden der exekutiven und legislativen Organe der Föderationssubjekte durch ihre akkreditierten Repräsentanten ersetzt wurden. Heute (seit dem 1. Januar 2002) sind alle Mitglieder des Föderationsrates Repräsentanten der exekutiven und legislativen Organe.

Trotz der Änderungen im Wahlprozess der Mitglieder des Föderationsrates wurde das Hauptprinzip der Zusammensetzung des Föderationsrates – der aus den Repräsentanten der Föderationssubjekte besteht – aufrecht erhalten. Die Russische Föderation besteht aus 89 Föderationssubjekten: 21 Republiken, 6 Provinzen, 49 Regionen, 2 Stadtstaaten, 1 autonome Region und 10 autonome Distrikte, wobei jedes Wahlkreis durch zwei Repräsentanten im Föderationsrat vertreten ist.

Am Ende des Jahres 1999 wurde durch ein Dekret des russischen Präsidenten eine neue Institution mit Beraterstatus gegründet. Dabei handelt es sich um den Staatsrat, der aus den Vorsitzenden der Verwaltungsgremien der Föderationssubjekte besteht. Der Vorsitzende des Staatsrates ist der Präsident der Russischen Föderation, der diesen Ausschuss von Zeit zu Zeit zusammenruft, um die wichtigsten politischen Themen zu besprechen (dabei handelt es sich vorwiegend um nationale Schwerpunkte – theoretisch können vom Staatsrat jedoch auch außenpolitische Themen behandelt werden).

Im Mai 2002 wurde die Union der Gesetzgeber gegründet. Diese Union, die aus allen Sprechern der gesetzgebenden Organe der Föderationssubjekte besteht, tagt unter der Leitung des Vorsitzenden des Föderationsrates. Es wurde bekannt gegeben, dass diese Union unter anderem den russischen Präsidenten über aktuelle politische Fragen der Russischen Föderation beraten soll. Dabei ist es durchaus möglich, dass auch außenpolitische Themen besprochen werden.

Rechtsmäßige Interessen der Föderationssubjekte

Zusätzlich zur Teilnahme an außenpolitischen Entscheidungen der Russischen Föderation durch ihre Repräsentanten führen die Föderationssubjekte der Russischen Föderation eigene transnationale Aktivitäten durch.

Zwischen den Behörden der Föderationssubjekte der russischen Föderation und den Organen der Territorien ausländischer Staatsgebiete (sowohl föderativer als auch vereinter Struktur) finden zahlreiche Kontakte statt. Eine Form von transnationalen Aktivitäten ist der Austausch von Delegationen, die aus höherstehenden Ausführungsorganen oder regionalen Gremien bestehen. In zahlreichen Fällen werden infolge dieser Besuche Abkommen und Vereinbarungen über ökonomische und kulturelle Zusammenarbeit unterzeichnet.

Leider liegen über diese Aktivitäten keine verlässlichen Statistiken vor. Man kann jedoch davon ausgehen, dass jährlich Hunderte solcher Besuche stattfinden.

Selbstverständlich haben die Föderationssubjekte mit einer stärkeren Volkswirtschaft mehr Möglichkeiten und sind daher in Sachen transnationaler Aktivitäten aktiver. Einerseits verfügen sie über mehr Ressourcen für die Entwicklung solcher Aktivitäten, andererseits besteht ein dringenderes Bedürfnis zur Entwicklung der Beziehungen mit dem Ausland. Föderationssubjekte, die entlang der Frontgrenze gelegen sind, entwickeln grenzüberschreitende Kooperation mit Territorien ausländischer Staaten auf der anderen Seite derselben Grenze.

Manche Föderationssubjekte der Russischen Föderation haben sogar mit bestimmten Ländern Abkommen über wirtschaftliche und kulturelle Kooperationsvorhaben geschlossen. Föderationssubjekte mit sehr intensiven transnationalen Aktivitäten haben Repräsentationsbüros im Ausland.

Wie die Erfahrung der vergangenen zehn Jahre zeigt, bewegen sich trotz zwiespältiger Deklarationen einzelner Föderationssubjekte, die auf eine eigene Außenpolitik abzielten, alle transnationalen Aktivitäten der Föderationssubjekte auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene, da das größte Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Regionen besteht.

Zusätzlich zu allen oben beschriebenen Aktivitäten sollte hinzugefügt werden, dass die Föderationssubjekte der Russischen Föderation an den Tätigkeiten des Europarates teilnehmen und im Kongress der Regionalen und Lokalen Gremien vertreten sind.

Federations Dreifache Sonderausgabe: Themen der Internationalen Föderalismuskonferenz 2002