Aktuelle Debatten über US-Präsidentschaft und Kongress: Wahlmännerausschuss, Manipulation der Wahlbezirke und festgelegte Befugnisse

JOHN DINAN

Obwohl die Institutionen der amerikanischen Legislative und Exekutive sich im Zeitablauf als bemerkenswert stabil erwiesen haben, haben einige Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit zu Debatten über bestimmte Aspekte dieser Institutionen geführt. Die grundlegende Frage nach der institutionellen Ausgestaltung, wie etwa der Wahl eines Präsidialsystems mit einem unabhängig vom Kongress gewählten Präsidenten, ist seit langem geklärt. Die Entscheidung, einen aus zwei Häusern bestehenden Kongress einzusetzen, mit einem Senat, in dem die Bundesstaaten jeweils gleichermaßen vertreten sind, und einem Repräsentantenhaus, dessen Sitze den Bundesstaaten proportional zu ihrer Bevölkerungszahl zugewiesen werden, wird sicher nicht neu überdacht. Auch nicht angezweifelt wird das verfassungsmäßige Arrangement, nach

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dem der Kongress bestimmte Befugnisse – und nicht Generalvollmachten

besitzt und die übrigen Befugnisse den Bundesstaaten vorbehalten sind.In den vergangenen Jahren gab es jedoch Diskussionen über spezifische Aspekte dieser Ausgestaltungen wie beispielsweise das System der Präsidentenwahl, die Grenzziehung der Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus und die Durchsetzung der Machtbeschränkungen des Kongresses durch den Supreme Court.

Das System der Präsidentschaftswahlen hat von all diesen institutionellen Regelungen die meiste Aufmerksamkeit erhalten – besonders nach den Wahlen im Jahr 2000. Die Autoren der Verfassung bestimmten, dass der Präsident weder von der Legislative noch direkt vom Volk, sondern vielmehr von einem Wahlmännerausschuss gewählt werden sollte. In diesem System stellt jeder Bundesstaat so viele Wahlmänner, wie er Abgeordnete in den Kongress entsendet. Damit gibt es 538 Wahlmännerstimmen, die unter den 50 Bundesstaaten (und dem District of Columbia) aufgeteilt werden, wobei der kleinste Bundesstaat drei und Kalifornien als der größte Bundesstaat 55 Wahlmännerstimmen erhält. Die Präsidentschaftskandidaten kämpfen folglich in den verschiedenen Bundesstaaten um die 270 Wahlmännerstimmen, die notwendig sind, die Wahlen zu gewinnen. Mit zwei Ausnahmen geben die Bundesstaaten ihre gesamten Wahlmännerstimmen dem Gewinner der Mehrheitswahl in ihrem Staat. (Maine und Nebraska erlauben eine Teilung ihre Wahlmännerstimmen, wobei beide Staaten dem Gewinner der Mehrheitswahl im gesamten Bundesstaat zwei Stimmen geben. Die verbleibenden Stimmen werden den Kandidaten

geben, die in den einzelnen Wahlbezirken die

Mehrheit der Stimmen gewinnen.) Dieses System gibt den Bundesstaaten eine wichtige Rolle bei der Wahl des Präsidenten, aber es ermutigt die Präsidentschaftskandidaten auch dazu, beinahe ihre ganze Aufmerksamkeit auf die etwa 15-20 größten und am härtesten umkämpften Bundesstaaten zu richten und die anderen Bundesstaaten dabei unberücksichtigt zu lassen. Wichtiger aber ist, dass ein Kandidat die Wahl verlieren kann, obwohl er die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten hat, wenn sein Gegenkandidat die Mehrheit der Wahlmän
nerstimmen erreicht. Dies geschah im Jahr 2000

als Al Gore 500.000 Wählerstimmen mehr erhielt als George Bush und trotzdem die Wahl verlor, weil George Bush fünf Wahlmännerstimmen mehr verbuchen konnte. Obwohl es nicht das erste Mal war, dass der Kandidat, der die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, die Wahl verlor, war diese Wahl die umstrittenste und führte erneut zu Forderungen nach Alternativen zum Wahlmänner-System. Eine Vielzahl

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von Reformen wurde vorgeschlagen – wie beispielsweise die Einführung einer direkten Wählerentscheidung oder die Ermutigung der Bundesstaaten, eine Aufteilung ihrer Wahlmännerstimmen zu erlauben. Die Kritiker dieser Reformen argumentieren aber, dass es wichtig ist, die unterschiedlichen Effekte der einzelnen Vorschläge auf das föderale System zu berücksichtigen. Würden die Alternativen zum bestehenden System die Präsidentschaftskandidaten dazu verleiten, einen für die Belange der Bundesstaaten und der Gemeinden weniger empfänglichen Wahlkampf zu führen? Und würde es damit den Kandidaten leichter gemacht, mit der Unterstützung von weniger als der Hälfte der Bevölkerung die Wahl zu gewinnen, und würde dies wiederum die Schaffung einer Vielzahl von unter Umständen geografisch beschränkten Parteien anregen?

Die Reformer haben in letzter Zeit ihr Augenmerk auch auf die Kongresswahlen gerichtet und besonders auf das Verfahren, mit dem die Grenzen der Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus bestimmt werden. Im Falle des Senats ist dies kein Thema, weil die Senatoren auf einer gesamtstaatlichen Basis bestimmt werden. Die Grenzen der Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus werden jedoch alle 10 Jahre neu bestimmt. Dafür verantwortlich ist die bundesstaatliche Legislative. Damit keine Missverständnisse entstehen, muss darauf hingewiesen werden, dass der Kongress und der Supreme Court Beschränkungen für das Verschiebungsverfahren der Wahlbezirksgrenzen eingeführt haben. Wahlbezirke müssen kompakt, zusammenhängend und von gleicher Größe sein. Davon abgesehen genießen die Gesetzgeber in den Bundesstaaten bei der Grenzziehung der Wahlbezirke jedoch ein beachtliches Maß an Autonomie.

Die Sorge der letzten Jahre besteht darin, dass die Gesetzgeber in den Bundesstaaten ihren Spielraum missbrauchen und mit Hilfe von Computerprogrammen die Wahlbezirke so schneiden, dass sie für die Amtsinhaber einer der beiden großen Parteien vollständig sicher sind. Diese Praxis der willkürlichen Manipulation der Wahlbezirke wird als "gerrymandering" bezeichnet. Infolgedessen ist eine Abnahme des Wettbewerbs bei den Repräsentantenhauswahlen festzustellen, der Ausgang der Wahlen ist in weniger als 40 von den 435 Wahlbezirken offen. Amtierende Abgeordnete sind beinahe immun gegen eine Abwahl (selten ist ihre Wiederwahlquote in den letzten Jahrzehnten unter 90 Prozent gefallen), aber das "gerrymandering" der Parteien hat die Situation verschlimmert und die Abgeordneten des Repräsentantenhauses weniger bescheiden und weniger kompromissbereit werden lassen, sobald sie im Amt sind. Folglich werden die Richter aufgefordert, sich stärker mit der Grenzziehung der Wahlbezirke zu befassen. Zudem wird vorgeschlagen, unabhängige Kommissionen zur Festlegung der Wahlbezirke bzw. andere überparteiliche Instrumente zu schaffen, um den Wettbewerb bei den Kongresswahlen wiederherzustellen.

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Ein dritter Streitpunkt, der in den vergangenen Jahren Aufmerksamkeit erregt hat, betrifft den Umfang der Befugnisse des Kongresses im Vergleich zu denen der Bundesstaaten. Die Delegierten des Verfassungskonvents von 1787 sahen vor, dass der Kongress lediglich bestimmte Befugnisse ausüben dürfe, und der 10. Verfassungszusatz bestätigte im Jahr 1791, dass die Rechte, die nicht an den Kongress übertragen wurden, den Bundesstaaten vorbehalten sind. Es war jedoch seit jeher schwierig zu bestimmen, welche Gesetze des Kongresses eine legitime Ausübung dieser spezifischen Befugnisse darstellten. Seit der Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat der Supreme Court entschieden Gesetze, die diese Befugnisse überschritten, für ungültig erklärt. Dazu zählten populäre Gesetze wie das Waffenverbot in der Nähe von Schulen und die Bereitstellung zivilrechtlicher Mittel für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt.

Natürlich haben diese Entscheidungen des Gerichts zu heftiger Kritik von Seiten der Kongressabgeordneten, aber auch von den Gruppen und Individuen geführt, die diese speziellen Vorschriften unterstützten. Sie haben aber auch zu umfassenderen Klagen über die Rolle des Supreme Court bei der Kontrolle der Macht des Kongresses geführt. Viele Wissenschaftler und Beamte vertreten die Auffassung, das Gericht sollte von Entscheidungen dieser Art Abstand nehmen und es dem Kongress überlassen, die Reichweite der aufgezählten Befugnisse zu bestimmen. Auf der anderen Seite hat eine kleinere Gruppe von Wissenschaftlern diese Entscheidungen verteidigt und argumentiert, sie seien – in einer Zeit, in der weder der Kongress noch die Bundesstaaten die kleinste Neigung gezeigt haben, dies selbst zu tun – ein erster Schritt bei der Durchsetzung der verfassungsmäßigen Grenzen zwischen den Befugnissen des Kongresses und denen der Bundesstaaten.

Die Debatte über die legislative und exekutive Kontrolle in den USA hält an. An diesem Punkt werden die Debatten nicht so sehr über grundlegende Fragen der institutionellen Ausgestaltung geführt. Diese sind seit langem geklärt, und es hat seit der Staatsgründung nur wenige signifikante Änderungen in der Struktur der Regierung gegeben. Die aktuellen Debatten – gleich ob sie den Wahlmännerausschuss, die Bestimmung der Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus oder die Begrenzung der Macht des Kongresses zum Thema haben – stellen kleinere, aber dennoch wichtige Fragen zur Leistungsfähigkeit dieser seit langem bestehenden Institutionen dar.