Australien: Gleichheit, Ungleichgewicht und Egalitarismus

ALAN MORRIS

Der australische Fiskalföderalismus definiert sich deutlich durch zwei herausragende Eigenschaften: erstens durch den Umfang des vertikalen, fiskalischen Ungleichgewichts innerhalb der Föderation und zweitens durch eine detaillierte und allumfassende Methode des horizontalen Finanzausgleichs, die die Verteilung der Finanztransfers zwischen dem Bund – beziehungsweise dem Commonwealth – und den Bundesstaaten und Territorien regelt. Zwar gehen die Ursprünge des Fiskalföderalismus in Australien auf die Gründung der Föderation und das Inkrafttreten der Verfassung zurück, diese beiden Eigenschaften beruhen jedoch sehr viel stärker auf der historischen Entwicklung in der Praxis als auf den ursprünglichen Prinzipien der Verfassung.

Die australische Verfassung unterscheidet sich hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen dem Commonwealth und den einzelnen Gliedstaaten (Bundesstaaten) nicht wesentlich von anderen föderalen Staaten. So überträgt die Verfassung die Aufgaben Landesverteidigung, Außenpolitik, internationaler Handel, Zollwesen und Währung der

Alan Morris

Regierung des Commonwealth. Für Aufgaben wie Gesundheit, Bildung, Justizwesen und innere Sicherheit, die nicht explizit der Regierung des Commonwealth übertragen sind, sind die Bundesstaaten verantwortlich. Die Verfassung definiert zudem die Steuerkompetenzen des Commonwealth und der Bundesstaaten – einschließlich der Tatsache, dass das Commonwealth den einzelnen Bundesstaaten zu von ihm definierten Bedingungen

finanzielle Unterstützung gewähren kann.

Seit dem Inkrafttreten der Verfassung im Jahr 1901 hat sich die Verteilung der Steuerhoheit allerdings erheblich geändert. Aufgrund von Entscheidungen in historischen Krisenzeiten und einer Reihe von Beschlüssen des High Court hat die fiskalische Dominanz der Bundesregierung auf Kosten der einzelnen Bundesstaaten erheblich zugenommen.

Die Regierung des Commonwealth verfügt inzwischen über erheblich höhere Steuereinnahmen als sie benötigt, um ihren eigenen Zahlungsverpflichtungen beziehungsweise Ausgaben nachzukommen, während die Regierungen der Bundesstaaten und der Territorien erheblich weniger erzielen. Diese Ungleichheit zwischen der Fähigkeit, Steuereinnahmen zu generieren,

und den Zahlungsverpflichtungen schafft eine Situation, die Finanzexperten des Bundes als "vertikales fiskalisches Ungleichgewicht" zwischen den beiden Regierungsebenen bezeichnet haben. Gegenwärtig erzielt die Regierung des Commonwealth ungefähr 80 Prozent aller Staatseinnahmen, benötigt aber nur 61 Prozent davon für eigene Zahlungsverpflichtungen. Demgegenüber erzielen die Regierungen der Bundesstaaten und Territorien gerade einmal 17 Prozent aller Staatseinnahmen, benötigen jedoch mit 33 Prozent doppelt so viel, um ihren eigenen Ausgabenverpflichtungen nachkommen zu können.

Die fiskalische Dominanz der Regierung des Commonwealth und die Art, wie sie ihre fiskalische Stärke genutzt hat, um in Aufgabengebieten zu intervenieren, bei denen traditionell ein Vorrecht der Bundesstaaten bestand, hat sich inzwischen auf die Zuständigkeit für Regierungsaufgaben ausgewirkt. In einigen Bereichen haben sich die Rollen und Zuständigkeiten der unterschiedlichen Regierungsebenen verwischt, was zu Doppelarbeit, Überlappungen und Kostenverlagerungen geführt hat.

Viele Beobachter sind der Ansicht, dass das vertikale fiskalische Ungleichgewicht in Australien zu groß sei und zudem unerwünschte Implikationen auf die politische Verantwortlichkeit habe und zudem die Motivation für eine Finanzreform schwäche. Auf die Steuerbemessungsgrundlagen hat in der Regel nur eine Regierungsebene Zugang; die

Australien

Regierung des Commonwealth kann die Steuerbasis und den Steuersatz der ertragreichsten Steuern beeinflussen und verfügt ferner über die Ertragshoheit. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die direkten Steuerbemessungsgrundlagen der persönlichen Einkommenssteuer und die Unternehmensteuer zu nennen. Einige Reformansätze schlagen vor, dass die Regierung des Commonwealth den Bundesstaaten und Territorien einen eigenes Zuschlagsrechtrecht auf Steuern einräumt und gleichzeitig die eigenen Steuersätze senkt, um dadurch einen gewissen fiskalischen Spielraum zu schaffen. .Andere Reformvorschläge, die sich positiv auswirken würden, beinhalten Reform und Stärkung einzelner Steuerbemessungsgrundlagen der Bundesstaaten (insbesondere im Bereich der Grundsteuer) und in der Harmonisierung der relevanten Steuerbemessungsgrundlagen über die Grenzen der einzelnen Bundesstaaten hinweg.

Der Umfang des vertikalen fiskalischen Ungleichgewichts in der australischen Föderation führt zu der Frage, ob das Konzept einer optimalen fiskalischen Lücke untersucht werden sollte. Zwar kann das vertikale fiskalische Ungleichgewicht in Australien als unerwünscht groß angesehen werden, ein gewisser Grad an Zentralisierung der Steuerhoheit versieht jedoch die Bundesregierung mit der Steuerkraft, nationale Ziele und Prioritäten zu verfolgen.

Die Größe des vertikalen fiskalischen Ungleichgewichts lässt den Finanztransfer, den die Regierung des Commonwealth an die Bundesländer leistet, damit diese in der Lage sind, ihre Ausgaben zu finanzieren, zu einem ernsten Problem werden. Das Prinzip und die Praxis des horizontalen Finanzausgleichs, in dessen Rahmen ungebundene Finanzmittel an die Bundesstaaten und Territorien transferiert werden, ist das zweite hervorstechende Merkmal des australischen Fiskalföderalismus. Ziel ist, die Finanzkraft der Regierungen der Bundesstaaten und der Territorien zu nivellieren. Die gegenwärtige Methode basiert auf einer umfassenden Bestandsaufnahme der relativen Finanzkraft und des relativen Finanzbedarfs der Bundesstaaten und Territorien.

Diese Transfers haben mit 58 Milliarden australischen Dollar pro Jahr einen beachtlichen Umfang erreicht. Sie machen im Durchschnitt über 50 Prozent der gesamten Staatseinnahmen aus; dieser Wert lag in den 50er Jahren noch bei ungefähr 10 Prozent. Die Transfers sind ein kritischer Bestandteil der Haushalte der einzelnen Bundesstaaten. Ein signifikanter Anteil der Transfers der Regierung des Commonwealth an die Bundesstaaten und Territorien – gegenwärtig in einer Größenordnung von 40 Prozent des Gesamttransfers – erfolgen in der Form von Specific Purpose Payments (SPPs). Bei den SPPs handelt es sich um zweckgebundene Zuschüsse die im Wesentlichen zur Unterstützung nationaler Prioritäten in Bereichen wie Gesundheit und Bildung dienen und normalerweise an Bedingungen geknüpft sind. Einige Beobachter sind der

Alan Morris

Meinung, dass damit die Subsidiarität, der wettbewerbliche Föderalismus, die Entwicklung einer effizienteren Finanzstruktur und Leistungserbringung durch die einzelnen Bundesstaaten und somit die Vorteile des Föderalismus untergraben werden.

Die ungebundenen Zuschüsse, die seit den Steuerreformen im Jahr 2000 und der "Zwischenstaatlichen Übereinkunft zur Reform der Finanzbeziehungen" zwischen dem Commonwealth und den Bundesstaaten auch die Steuereinnahmen aus der Umsatzsteuer (GST) einschließen, können von den Bundesstaaten und den Territorien frei verwendet werden. Die Höhe der ungebundenen Zuschüsse des Bundes führt zur Frage der gegenseitigen Verpflichtungen und politischer Verantwortlichkeit. Es gibt keinerlei Verpflichtung für die Regierungen der Bundesstaaten und Territorien, die Zuschüsse in einer vorgegebenen Weise zu verwenden oder die Entscheidungsgrundlagen für die Bewertung von Ausgaben und Prioritäten zu rechtfertigen. Es gibt in der Tat in bestimmten Bereichen Abweichungen zwischen dem geschätzten Finanzbedarf und den tatsächlichen Ausgaben. Das Fehlen einer Ausgabenkontrolle, die für ein System ungebundener Zuschüsse eigentlich fundamental ist, ist häufig ein Grund zu Kritik an den staatlichen Ausgabenentscheidungen.

Zwar wird der horizontale Finanzausgleich im Allgemeinen als Richtlinie für die Verteilung ungebundener Zuschüsse an die Bundesstaaten und Territorien akzeptiert, die Umsetzung ist jedoch weiterhin heikel und umstritten. Einige Bundesstaaten argumentieren, dass der Prozess zu komplex und detailliert geworden ist und dass viele der unterschiedlichen Schätzungen zur Finanzkraft und zum Finanzbedarf der Bundesstaaten nicht die wirklichen materiellen Unterschiede zwischen ihnen widerspiegeln.

Der australische Ansatz des Finanzausgleichs gibt zu erkennen, dass die Australierinnen und Australier die Art und den Umfang regionaler Disparitäten, wie sie in anderen föderalen Staaten bestehen, nicht wünschen. Die australische Methode erlaubt es unterschiedlichen Gebietskörperschaften, ihren eigenen Entscheidungen und lokalen Präferenzen zu folgen. Es ist ein besonderes Konzept des Gleichheit, das vielleicht am besten dadurch beschrieben werden kann, dass es nach Fairness und nicht nach Gleichberechtigung strebt. Und es herrscht allgemeine Übereinstimmung darin, dass ein in Stein gemeißeltes System des Fiskalföderalismus nicht notwendigerweise für alle Zeiten angemessen ist.