Brasilien: Wahrung von Haushaltsdisziplin inmitten regionaler und sozialer Antagonismen

FERNANDO REZENDE

1994 setzte Brasilien einen Währungsstabilisierungsplan um, der nicht nur die Ära hoher Inflationsraten beendete, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die föderalen Finanzen hatte. Die neue Stabilität der Währung deckte strukturelle Ungleichgewichte auf und zwang die öffentliche Verwaltung, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. In der relativ dezentralisierten brasilianischen Föderation waren zur Durchsetzung fiskalischer Disziplin wichtige institutionelle Änderungen notwendig. Das im Jahr 2000 erlassene "Haushaltsdisziplingesetz" führte Obergrenzen für den Personalaufwand und den Verschuldungsgrad von Bundessstaaten und Gemeinden ein. Gleichzeitig beschränkten die zum Zwecke der Preisstabilisierung eingeführten strikten Budgetbeschränkungen die Autonomie der subnationalen Gebietskörperschaften bei der Verteilung von Haushaltsmitteln.

Die vertikale und die horizontale Ungleichheit bei der Verteilung von Finanzmitteln und der geringe Entscheidungsspielraum bei der Einnahmenallokation auf allen föderalen Ebenen sind gegenwärtig

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wesentliche Quellen der Ineffizienz bei den öffentlichen Ausgaben. Die Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger auf einen weiteren Anstieg der Gesamtsteuerlast hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass es notwendig ist, die Ineffizienz zu bekämpfen und die Qualität der Nutzung öffentlicher Mittel zu verbessern, sie haben eine neue Welle von Forderungen hervorgerufen, die Finanzdebatte auf die Ausgabenseite des Haushaltes zu konzentrieren. Zu Beginn der Phase der Währungsstabilisierung konnte durch die Überbewertung der neuen Währung (des Real) eine gewisse Preisstabilität gesichert werden. Die darauf folgende Finanzkrise in aufstrebenden Wirtschaften wie Mexiko, Südostasien und Russland in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zwang die brasilianische Regierung jedoch 1999 dazu, die Steuerung des Wechselkurses aufzuheben und die brasilianische Währung freizugeben. Mit der Abwertung des Reals war die monetäre Stabilität von einem verantwortungsvollen Umgang mit den Staatsfinanzen abhängig. Eine neue auf Inflationszielen beruhende Politik wurde eingeführt, und den Platz des Wechselkurses als Anker der Inflationsabwehr übernahm die Einhaltung der Haushaltsdisziplin.

Die Verfassung von 1988 stärkte die Steuerhoheit der subnationalen Gebietskörperschaftsebenen und führte in einem Versuch, die Sozialpolitik zu sichern, ein duales Haushaltssystem ein. Sie schuf einen Sozialhaushalt mit spezifischen als "Sozialbeiträge" bezeichneten Bundessteuern, zu dem auch die Regierungen der subnationalen Ebenen Beiträge zu leisten hatten. Die sich anschließende ökonomische Krise jedoch schwächte die Einnahmen der Regierungen der einzelnen Bundesstaaten und Gemeinden, deren Finanzen zudem durch die hohen Zinssätze litten. Unter der neuen Haushaltsdisziplin mussten sich die erweiterten Sozialrechte auf die Fähigkeit des Bundes verlassen, ausreichende Finanzmittel bereitzustellen, um die stark ansteigenden Sozialausgaben zu decken. Zu diesem Zweck wurden die neuen, für den Sozialhaushalt zweckgebundenen Bundessteuern erhöht, was einen Prozess in Gang setzte, der die fiskalische Dezentralisierung umkehrte.

Der Rückgriff auf Sozialbeiträge zur Finanzierung von Sozialausgaben hatte nicht nur die Konzentration der Ausgabenkompetenzen in den Händen des Bundes zu Folge, sondern hatte auch negative Folgen für die Wirtschaft und die Föderation. Der mehrstufige Effekt solcher Beiträge erzeugte ökonomische Ineffizienzen und verzerrte den Außenhandel. Für die Föderation bedeutete der Anstieg der zweckgebundenen Zuschüsse einen tiefen Einschnitt in die Ausgabenhoheit der subnationalen Ebenen und eine Zunahme der vertikalen und insbesondere der horizontalen Ungleichgewichte.

Die Umkehr der fiskalischen Dezentralisierung betraf vor allem die einzelnen Bundesstaaten. Obwohl die brasilianischen Bundesstaaten ein hohes Maß an verfassungsmäßiger Autonomie genießen, sind ihre Entscheidungskompetenzen relativ begrenzt. Die Bundesregierung

Brasilien

definiert die Grenzen, innerhalb derer die Bundesstaaten- und Kommunalregierungen Gesetze erlassen und Steuern auf Güter und Dienstleistungen erheben können. Sie erlässt detaillierte Richtlinien für die Haushalte der unteren Ebenen und in ihren Gesetzen lässt sie den einzelnen Bundesstaaten in Aufgabenbereichen wie öffentliche Versorgung, Umweltschutz und Exploration natürlicher Ressourcen beinahe keinen Spielraum.

Selbst auf der Ausgabenseite ist die Freiheit der Gouverneure der Bundesstaaten bei der Zuweisung der Haushaltsmittel fast vollkommen eingeschränkt worden. Zahlungsverpflichtungen und zweckgebundene Einnahmen sowie die üblichen Verwaltungsausgaben lassen praktisch keine Mittel für die Finanzierung von Investitionen übrig, wodurch die Bundesstaaten angesichts eines sehr eingeschränkten Zugangs zu Krediten ihre Fähigkeit verloren haben, Entwicklungsprojekte zu fördern. Darüber hinaus verbietet das "Haushaltsdisziplingesetz" den Bundesstaaten und Gemeinden, ohne die Bestimmung einer entsprechenden Finanzierungsquelle oder entsprechender Kürzungen bei anderen Ausgaben Maßnahmen zu ergreifen, die zu zusätzlichen Ausgaben führen würden. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass die Bundesstaaten zu dem einzigen verbliebenen Mittel gegriffen haben, wenn es darum geht, Industriebetriebe anzulocken: Sie führen einen erbitterten Steuerwettbewerb, der eine der Hauptursachen für den Antagonismus der brasilianischen Bundesstaaten geworden ist.

Die Situation auf der kommunalen Ebene unterscheidet sich davon grundlegend, denn die kommunalen Regierungen genießen in Brasilien mehr Autonomie als die Bundesstaaten. Es ist ihnen gestattet, die Nutzung kommunaler Flächen und die Bereitstellung städtischer Dienstleistungen zu regeln, Nutzungsentgelte zu verlangen und ihre eigenen Verfahren für die Erhebung von Vermögenssteuern zu bestimmen. In der Regel genießen sie auch eine größere Haushaltsautonomie, da ein bedeutender Teil ihrer Einnahmen aus allgemeinen Zuschüssen besteht.

Die in der Verfassung festgelegten Mechanismen zur Aufteilung der Staatseinnahmen weisen den Gemeinden 22,5 Prozent des Aufkommens der Einkommens- und der Produktionssteuern des Bundes sowie 25 Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen der Bundesstaaten zu. Die Kriterien, mit denen der Anteil der Gemeinden an den Bundessteuern festgelegt wird, sind zugunsten kleiner Gemeinden verzerrt. Sie benachteiligen die zentralen Metropolen, in denen ein Viertel der Bevölkerung lebt, die aber nur 10 Prozent des Kuchens erhalten. Diese durch die Art des Finanzausgleichs verursachten Verzerrungen haben in der ganzen Föderation zu einem hohen Maß an horizontaler Ungleichheit bei der Verteilung öffentlicher Mittel geführt. Dünn besiedelte Gebiete am Amazonas und die zentral-westlichen Regionen erhalten größere Summen pro Kopf der Bevölkerung als die ärmeren, aber dicht besiedelten nördlichen Bundesstaaten.

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Aufgrund der Autonomie der Gemeinden können die Regierungen der Bundesstaaten Investitionen und die Bereitstellung von städtischen und sozialen Dienstleistungen nicht über die Grenzen der einzelnen

Gemeinden hinaus koordinieren. Und eine

zunehmend engere Beziehung zwischen der Bundesregierung und den Gemeinden, in deren Rahmen große Summen von Bundesmitteln direkt in die Haushalte der Kommunen fließen, untergräbt die Möglichkeit der Bundesstaaten, Kontrolle über die auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Maßnahmen auszuüben. Die Überlagerung der Programme und mangelnde Integration beziehungsweise Koordination führen zu Ressourcenverschwendung, höheren Produktionskosten und einem ungleichen Zugang zu öffentlichen Leistungen, da Arme in schlechter ausgestatteten Gemeinden möglicherweise weniger Leistungen erhalten als Menschen mit höherem Einkommen, die in reicheren Gemeinden leben. Da die makroökonomischen Restriktionen noch eine Weile in Kraft bleiben werden und die Reaktionen auf weitere

Steuererhöhungen wenig Raum für eine stärkere Besteuerung lässt, ertönt im ganzen Land der Ruf nach Maßnahmen zur Verringerung der Verschwendung der Haushaltsmittel. Ohne eine gründliche Reform des brasilianischen Fiskalföderalismus sind aufgrund der vertikalen und das horizontalen Ungleichgewichte und der starken Antagonismen der brasilianischen Föderation konkrete Fortschritte in dieser Richtung allerdings sehr schwer zu erreichen.