Der sich verändernden zustand des Fiskalföderalismus in den USA

MERL HACKBAR T

In der Praxis ist das föderale System der USA ein Balanceakt zwischen den drei relativ unabhängigen Regierungsebenen: Bund, Bundesstaaten und Gemeinden. Die drei Ebenen sind für die Erbringung öffentlicher Leistungen verantwortlich und haben das Recht, Steuern zu erheben und Kredite aufzunehmen. Nur zwei dieser Ebenen finden jedoch in der Verfassung Erwähnung: die Bundesstaaten und der Bund. Die Rolle der dritten Ebene, der Gemeinden, wird weitgehend von den Bundesstaaten bestimmt. Innerhalb dieser Richtlinien wandeln sich die tatsächlichen Rollen und Zuständigkeiten der Regierungen des Bundes und der Bundesstaaten für öffentliche Programme beständig. Diese Situation führt zu periodisch auftretenden Konflikten zwischen den verschiedenen Regierungsebenen. Die Gerichte spielen bei der Lösung dieser Konflikte eine wichtige Rolle. Insgesamt hat sich dieses flexible System als stabil erwiesen und als fähig, sich an Änderungen bei den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen.

Es existieren aber andere Probleme, die selbst die sorgfältig ausbalancierte Verfassung und das Gerichtssystem nicht lösen konnten: Beschränkungen der Einnahmen des Bundes und der Bundesstaaten,

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steigende Programmkosten, zunehmende Nachfrage nach Leistungen durch die Öffentlichkeit und längerfristige wirtschaftliche und demografische Trends. Solange Debatten über die Haushalte des Bundes und der Bundesstaaten geführt werden und Entscheidungen anstehen sorgen diese Probleme für Schlagzeilen. In der übrigen Zeit werden sie häufig ignoriert. Und wann immer die Bundesregierung ein Problem dadurch löste, dass sie die Verantwortung für die Finanzierung eines Programms den Bundesstaaten zuschob, tauchte dieses Problem in den Parlamenten der Bundesstaaten wieder auf. In den meisten Fällen haben die Bundesstaaten befristete Finanzierungsstrategien und -maßnahmen entwickelt, um den Fehlbetrag in gemeinsamen Programmen des Bundes und der Bundesstaaten zu decken. Aber solche kurzfristigen Haushaltskorrekturstrategien belasten die Haushalte der Bundesstaaten über alle Maßen. Einzelne Staaten nehmen dann oft Anpassungen ihrer Finanzpolitik vor, um ihre Haushalte auszugleichen, wie das gesetzlich oder durch ihre Verfassung verlangt wird.

Die Rolle der amerikanischen Bundesregierung hat häufig darin bestanden, grobe Richtlinien und Finanzmittel bereitzustellen, während die Regierungen der Bundesstaaten und der Gemeinden die öffentlichen Leistungen vor Ort bereitstellten. Die Beibehaltung einer starken innerstaatlichen Partnerschaft war eine Herausforderung für die Bundesstaaten, weil sie auf die besonderen Bedürfnisse ihres Staates einzugehen hatten, während sie die Kosten und die Bereitstellung öffentlicher Leistungen mit ihren Partnern in der Bundesregierung teilen mussten. Die zunehmende Tendenz, Politikbereiche zu nationalisieren – wie etwa die beiden kürzlich vorgelegten Bundesgesetzesinitiativen "Homeland Security" und "No Child Left Behind" – hat die wechselseitige Abhängigkeit der Regierungsebenen verstärkt. Die Abhängigkeit der Bundesregierung von den Bundesstaaten bei der Umsetzung von Bundesprogrammen und bei der Erreichung nationaler Ziele nimmt zu. Dies hat dazu geführt, dass trotz der Nationalisierung vieler Politikbereiche und ihrer Finanzierung durch den Bund den Regierungen der Bundesstaaten und der Gemeinden größere Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung der Programme und bei der Erreichung nationaler Ziele übertragen wurden. Jede Änderung eines gemeinsamen Programms durch eine Regierungsebene – zum Beispiel eine Kürzung – kann einen erheblichen Einfluss haben auf die finanzpolitischen Möglichkeiten einer anderen Regierungsebene, ihre Verantwortung für Programme und deren Finanzverwaltung gerecht zu werden. Die amerikanische Verfassung überträgt der Bundesregierung erhebliche finanzpolitische Befugnisse wie das Recht, Steuern zu erheben, Kredite aufzunehmen, den zwischenstaatlichen und den internationalen Handel zu regulieren, Schulden zu tilgen und für die allgemeine Wohlfahrt zu sorgen. Sie begrenzt aber auch die finanzpolitische Macht des Bundes, einschließlich einer Einschränkung der Fähigkeit der

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Bundesregierung, Steuern oder Zölle auf Exportartikel der Bundesstaaten zu erheben. Zwar hat die Macht der Bundesregierung die Fähigkeit der Bundesstaaten, den Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten und den Außenhandel zu beeinflussen, begrenzt, aber sie hat auch die Fähigkeit der Bundesstaaten, zwischenstaatliche und internationale Transaktionen zu besteuern, ernstlich begrenzt. Solche Einschränkungen vermindern die Möglichkeiten der Bundesstaaten, die von ihnen in einer zunehmend globalen Wirtschaft zu verantwortenden Programme zu finanzieren.

In der Verfassung werden den Bundesstaaten einige finanzpolitische Kompetenzen übertragen. Besonders der zehnte Verfassungszusatz gewährt den Bundesstaaten "Residualbefugnisse" in der Finanzpolitik und damit den zentralen Ansatzpunkt, um mit der Bundesregierung über die Zuständigkeit für und die Finanzierung von Programmen zu verhandeln. Die Bundesstaaten werden jedoch auch eingeschränkt: So verlangt die Verfassung von ihnen, dass ihre Politikmaßnahmen und Aktivitäten ordnungsgemäßen Verfahren folgen und dass sie gleichen Rechtsschutz in ihren Hoheitsgebieten sicherstellen. Die Gemeinden, die von den Regierungen der Bundesstaaten eingerichtet werden, haben nur insoweit finanzpolitische Macht, wie ihnen diese von den Bundesstaaten übertragen wird.

Die Tendenz, dass die Bundesregierung in eine immer breitere Palette von innenpolitischen Themen involviert ist, die traditionell in den Bereich der Regierungen der Bundesstaaten fallen, hat die Rollen und die Zuständigkeiten der verschiedenen Regierungsebenen verwischt. Die gemeinsame Verantwortung für solche innenpolitischen Programme hat zu Streitigkeiten zwischen den einzelnen Regierungsebenen und zu Spannungen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht und der Verantwortlichkeit geführt.

Ein wichtiges Thema im fiskalischen Föderalismus der USA ist das Fehlen eines formellen oder informellen Prozesses zur Koordinierung der zwischenstaatlichen Finanzpolitik. Infolgedessen befinden sich die Initiativen der Bundesregierung häufig im Widerspruch zu Politikmaßnahmen der Bundesstaaten. Diese wiederum stehen ebenfalls häufig im Widerspruch zu Maßnahmen der Gemeinden. Die Bereiche der Finanzpolitik, in denen eine echte Koordinierung fehlt, sind die Steuerund Einnahmenpolitik und die gemeinsam durchgeführten Programme wie Gesundheitswesen, Bildung und Infrastruktur.

Die Bemühungen, das massive Defizit im Bundeshaushalt und die sich auftürmenden Schulden des Bundes zu verringern, haben die Bundesregierung dazu bewegt, die Verantwortung für die Finanzierung von Programmen auf die Bundesstaaten abzuwälzen. Politische Entscheidungen, die zum Ziel haben, den Haushalt der Bundesregierung zu verwalten, beinhalten häufig Kürzungen der Bundesunterstützung für innenpolitische Programme. In vielen dieser Programme haben die Regierungen des

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Bundes, der Bundesstaaten und der Gemeinden bei der Bereitstellung öffentlicher Leistungen zusammengearbeitet. Wenn es zu solchen Finanzkürzungen des Bundes kommt, sind die Regierungen der Bundesstaaten und der Gemeinden gezwungen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Es ist für diese beiden Regierungsebenen schwierig, Strategien und Politikansätze zu entwickeln, mit denen sie ihren laufenden finanziellen Verpflichtungen nachkommen und gleichzeitig die Verschiebung der zwischenstaatlichen Finanzverantwortung auffangen können.

Ein zweites Problem des fiskalischen Föderalismus betrifft die Schwächung der Rolle und der Macht der Bundesstaaten innerhalb des föderalen Systems der USA. Die Bundesstaaten beobachten die fortgesetzte Erosion ihrer Befugnisse, obwohl gemäß der

amerikanischen Verfassung alle Befugnisse und Zuständigkeiten, die nicht spezifisch der Bundesregierung übertragen wurden, den Bundesstaaten vorbehalten sind. Die Zunahme nicht-finanzierter Aufgaben, der Vorrang der Staatsgewalt und die Delegierung von Programmen des Bundes an die Ebene der Bundesstaaten sind Beispiele für die zunehmende Vormachtstellung der Bundesregierung.

Die nicht gegenfinanzierten Aufgaben werden durch die Bundesgesetzgebung ins Leben gerufen, die verlangt, dass die Bundesstaaten von der Bundesregierung entwickelte Programme umsetzen, ohne dafür Finanzmittel des Bundes zu erhalten. Die Vorrangstellung der Bundesgesetzgebung gegenüber der Gesetzgebungskompetenz der Bundesstaaten und der Gemeinden ist ebenfalls in Erscheinung getreten und wurde mit Hilfe der Vorrangklausel der amerikanischen Verfassung verteidigt. Diese Klausel besagt, dass Bundesgesetze, die in Übereinstimmung mit der amerikanischen Verfassung erlassen wurden, die obersten Gesetze des Landes sind. Eine andere Entwicklung auf Bundesebene ist die Regionalisierung, die die Verantwortung für einzelne Programme auf die Ebene der Bundesstaaten verschiebt. Diese neueren Praktiken haben das Kräfteverhältnis zwischen den Regierungen des Bundes und der Bundesstaaten verändert.