Außenpolitik in Australien: Evolution und Reform

ANNE TWOMEY

Die föderale Verteilung der außenpolitischen Befugnisse in Australien hängt eng mit der Erlangung der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich zusammen. Die meisten außenpolitischen Befugnisse wurden dem Commonwealth übertragen, obwohl in der Verfassung selbst dieses Thema kaum behandelt wird. Die vom High Court gelieferte großzügige Interpretation des Rechtes des Commonwealth, Gesetze in Bezug auf "auswärtige Angelegenheiten" zu erlassen, macht es möglich, dass das Commonwealth Abkommen umsetzt, deren Inhalte andernfalls in den Aufgabenbereich der Bundesstaaten fielen. Dies hat zu Reformen geführt, um bei der Aushandlung von Abkommen die Transparenz zu erhöhen, die Rechenschaftspflichten klarer zu gestalten und die Rücksprache mit den Bundesstaaten zu verbessern.

Weder die australischen Kolonien noch das Commonwealth of Australia besaßen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert eine eigene, international anerkannte, Rechtspersönlichkeit oder signifikante Befugnisse in der Außenpolitik. Die Außenpolitik Australiens war noch immer in erster Linie Sache des Vereinigten Königreichs. Selbstständig konnte Australien keinen Abkommen beitreten, aber es konnte von der britischen Regie

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rung ausgehandelte Wirtschaftsverträge "bestätigen" und technischen Abkommen im Bereich des Post- und Fernmeldewesens beitreten. Australischen Gesetzen, die im Widerspruch zu britischen Vertragsverpflichtungen standen, konnte aus diesem Grund die Zustimmung verweigert werden.

Die britische Kriegserklärung im 1. Weltkrieg schloss Australien als Teil des Empire mit ein. Wegen des beachtlichen Beitrages, den Australien in diesem Krieg leistete, wurde es zur Imperial War Conference eingeladen, deren Ziel es war, künftige Anpassungen in den verfassungsrechtlichen Beziehungen innerhalb des Empire zu fördern. Australien war bei der darauf folgenden Friedenskonferenz vertreten, und der australische Premierminister unterzeichnete den Vertrag von Versailles, seine Unterschrift war jedoch unter der des britischen Vertreters, der das Empire als Ganzes repräsentierte. Australien wurde Mitglied des Völkerbundes, wenn auch nur als selbstregiertes Dominium und nicht als Nation.

Bei späteren Imperial Conferences gaben die Briten schrittweise die Kontrolle über die Außenbeziehungen des Dominiums ab, einschließlich das Recht zu der Unterzeichnung von Abkommen, der Ernennung der diplomatischen Vertreter und der gestaltung eigener Außenpolitik. Im Gegensatz zu Kanada und Südafrika zögerte Australien, diese neuen Befugnisse anzunehmen. Australien glaubte, dass seine Sicherheit vom Schutz des britischen Empire abhängig war und blieb daher an einer einheitlichen Außenpolitik für das gesamte Empire interessiert. Als Großbritannien im 2. Weltkrieg in den Krieg eintrat, ging Robert Menzies, der Premierminister Australiens, einfach davon aus, dass sich auch Australien im Krieg befand. Erst 1941 übte Australien erstmalig sein Recht aus, einem Land den Krieg zu erklären. Während des Krieges begann Australien auch damit, seine diplomatischen Vertreter selbst zu ernennen und zum eigenen Schutz auf Allianzen mit anderen Staaten wie den USA zu vertrauen.

Der Übergang von einer Kolonie zu einem souveränen und unabhängigen Staat erfolgte ohne formale Änderungen an den Verfassungen des Commonwealth oder der Bundesstaaten, sondern vielmehr durch Änderungen in den Konventionen und dadurch, dass das Vereinigte Königreich und andere Länder den neuen Status Australiens anerkannten. Die außenpolitischen Zuständigkeiten jedoch wurden in ihrer Gesamtheit der Regierung des Commonwealth und nicht den einzelnen Bundesstaaten übertragen.

Die Verfassung des Commonwealth gewährt dem Parlament des Commonwealth die konkurrierende, nicht aber die ausschließliche Gesetzgebungshoheit über die Außenpolitik. Das Recht, Abkommen beizutreten, wird als Teil der allgemeinen Exekutivbefugnisse des Commonwealth behan-delt. Die Bundesstaaten haben weder die Möglichkeit, Abkommen beizutreten, noch das Recht, sich in maßgeblicher Weise an der Außenpolitik zu beteiligen.

Australien

Der zentrale "Kriegsschauplatz" der beiden Regierungsebenen ist die Umsetzung von Abkommen. Die Befugnis zur Ausübung der auswärtigen gibt dem Parlament des Commonwealth die Gesetzgebungshoheit über die Unterzeichnung von Abkommen. Nach dem 2. Weltkrieg jedoch erwuchs mit der gewaltigen Zunahme von Abkommen zu Belangen, die – wie die Menschenrechte und die Umwelt – traditionell zum Kompetenzbereich der Bundesstaaten gehörten, die Frage, ob diese Befugnis zur Ausübung der Außenbeziehungen auch die Unterzeichnung von Verträgen einbezog, die in erster Linie innenpolitische und nicht außenpolitische Inhalte berührten. In einer Entscheidung bezüglich eines Umweltvertrages, der dazu verwendet wurde, ein Gesetz zu unterstützen, das es der Regierung von Tasmanien untersagte, einen Damm zu bauen, stellte der High Court 1983 fest, dass das Parlament des Commonwealth mit der Unterzeichnung eines bona fide Vertrages – unabhängig vom

Inhalt des Vertrages – Gesetze beschließen kann, Das bedeutete, dass sich das Commonwealth durch die Ratifizierung von Abkommen in Belangen, die früher zum Kompetenzbereich der Bundesstaaten gehörten, neue Gesetzgebungsbefugnisse erschließen kann.

Diese Entwicklung führte zu größerem Interesse daran, wie und warum Abkommen abgeschlossen werden, und zu Forderungen nach umfassenderen Rücksprachen mit den Bundesstaaten vor der Ratifizierung eines Abkommens. Da das Parlament kaum am Entstehungsprozess von internationalen Abkommen beteiligt ist, zeigte die Öffentlichkeit sich über die fehlende Transparenz und das demokratische Defizit""besorgt. Abkommen wurden dem Parlament des Commonwealth alle sechs Monate in gebündelter Form vorgelegt, häufig erst nach bereits erfolgter Ratifizierung und mit wenig oder gar keiner Zeit für Debatten. 1995 führte ein Senatsausschuss eine umfangreiche Untersuchung des Entstehungsprozesses von Abkommen durch und schlug größere Reformen vor, die 1996 mehrheitlich umgesetzt wurden. Die Reformen umfassten folgende Punkte: Alle Abkommen müssen dem Parlament des Commonwealth vor ihrer Ratifizierung vorgelegt werden; für jedes Abkommen wird eine "Analyse des nationalen Interesses" mit Informationen zu den möglichen Auswirkungen und einer Begründung für den Beitritt veröffentlicht; es wurde ein ständiger gemeinsamer, sich aus Vertretern des Commonwealth und der Bundesstaaten zusammensetzender Parlamentsausschuss (Parliamentary Joint Standing Committee on Treaties) eingerichtet, der die Abkommen prüft und über sie Bericht erstattet, bevor sie ratifiziert werden; es wurde ein Vertragsrat (Treaties Council)

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geschaffen, der aus den Regierungschefs des Commonwealth und der Bundesstaaten besteht und sich um Abkommen kümmert, die besondere Interessen der Bundesstaaten berühren; die Rücksprachen mit den Bundesstaaten wurden durch den oben erwähnten Parlamentsausschuss verbessert.

In ihrer gemeinsamen Vorlage für das Senatskomitee hatten die Bundesstaaten umfangreichere Rücksprachen und die Einrichtung eines Vertragsrates angestrebt. Sie wollten jedoch auch erreichen, dass beide Häuser des Parlaments des Commonwealth ein Vetorecht für internationale Abkommen erhalten. Sollte die Ratifizierung eines Abkommens für einen Bundesstaat extrem nachteilig sein, könnte dann der Senat überzeugt werden, sein Veto gegen die Ratifizierung des Vertrages einzulegen. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom Commonwealth nicht angenommen, und die Ratifizierung von Abkommen bleibt vollständig unter der Kontrolle der Regierung des Commonwealth.

Trotz dieses Rückschlags sind die Bundesstaaten mit den Reformen des Jahres 1996 relativ zufrieden. Der ständige gemeinsame Parlamentsausschuss für Abkommen hat sich als mächtiger und effektiver Ausschuss erwiesen. Die verfügbaren Informationen über die in Vorbereitung befindlichen Abkommen und der Umfang der Rücksprachen mit den Bundesstaaten haben signifikant zugenommen. Der Vertragsrat jedoch hat die Erwartungen nicht erfüllt. Er hat nur ein einziges Mal getagt, und obwohl die Bundesstaaten fordern, dass er öfter zusammentrifft, weigert sich die Regierung des Commonwealth ihn einzuberufen. Die Bundesstaaten haben sich zudem darüber beklagt, dass sie im frühen Stadium der Vertragsverhandlungen nicht ausreichend informiert werden, um einen signifikanten Beitrag zu den Verhandlungen leisten zu können, und dass die Auswirkungen der Abkommen vor der Ratifizierung nicht ausreichend berücksichtigt werden.