Spanien: Normalisierung der Außenbeziehungen im Staat der Autonomien

FRANCISCO ALDECOA / NOÉ CORNAGO

Während Jahrzehnten war die ausländische Dimension des gefeierten spanischen Übergangs zur Demokratie unspektakulär, ohne dass etwas Dramatisches die internationale Aufmerksamkeit erregt oder den Weg in die globalen Schlagzeilen gefunden hätte. Drei Tage vor den spanischen Wahlen im März 2004 jedoch alarmierte das tragische Bombenattentat auf die Züge in Madrid die Welt. Der umgehende und umstrittene Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak, der vom neu gewählten Premier-minister Zapatero angeordnet wurde, brachten der spanischen Außenpolitik unerwartet internationale Aufmerksamkeit.

Spaniens schnelle Anpassung an die außenpolitischen Standards westlicher Demokratien wird mehr durch Kontinuität als durch einen Bruch charakterisiert. Überraschenderweise waren die außenpolitischen Prioritäten des neuen demokratischen Spaniens beinahe dieselben wie die der Franco-Diktatur. Beide strebten nach größerer Beteiligung am europäischen Integrationsprozess und zeigten sich dem westlichen Sicherheitsansatz unter der Führung der Vereinigten Staaten verpflichtet,

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während sie gleichzeitig den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in Lateinamerika und in geringerem Maße in den arabischen Staaten besondere Aufmerksamkeit widmeten. In den frühen 90er Jahren erreichte das neue demokratische Spanien mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der NATO, einer in Madrid abgehaltenen wichtigen Konferenz über den Frieden im Mittleren Osten und der Institutionalisierung eines regelmäßigen iberoamerikanischen Gipfeltreffens der Vertreter der lateinamerikanischen Länder, Spaniens und Portugals nach nur zwei Jahrzehnten seine grundlegenden internationalen Ziele. In diesem Kontext bedeuteten lediglich die Unterzeichnung und Ratifizierung der internationalen Menschenrechtskonvention und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion und Israel eine eindeutige und lang erwartete Abkehr von der Vergangenheit. Langfristig die einflussreichste Quelle für die Erneuerung der spanischen Außenpolitik war jedoch der Integrationsprozess der Europäischen Union (EU).

Auch wenn Kontinuität ein Merkmal der Außenbeziehungen des Landes ist, hatte die Ankunft der Demokratie interessante, wenn auch subtile Auswirkungen auf die Außenbeziehungen. Gemäß der spanischen Verfassung von 1978 fallen die internationalen Beziehungen in die auschließliche Zuständigkeit der Zentralregierung. Von Beginn an versuchten die Regionalregierungen aber, eine gewisse Auslandspräsenz aufzubauen. Nach dem unvermeidlichen politischen und administrativen Lernprozess

begannen die autonomen Regierungen in

Spanien, auf die Einrichtung eines zwischen

staatlichen Verfahrens zu drängen, das es ihnen

erlauben sollte, mehr oder weniger direkt bei

außenpolitischen Themen mitzuwirken, insbe

sondere bei solchen, die ihre eigenen Zustän

digkeiten betrafen. Das zunehmende Interesse

resultierte weitgehend aus einer Kombination

funktionaler und symbolischer Belange.

Für Katalonien und das Baskenland, die beide seit langer Zeit von moderaten Nationalisten regiert werden, war es schon immer sehr wichtig, eine gewisse internationale Präsenz zu entwickeln. Der Reiz für diese Autonomen Gemeinschaften war symbolischer Natur, denn sie konnten sich so als politische Gebilde präsentieren, die sich vom Rest Spaniens unterscheiden. Die Zentralregierung hat sicherlich gezögert, diese Differenzierung zuzulassen, doch waren die Initiativen in den meisten Fällen gemäßigt und wandten sich nicht direkt gegen die spanische Außenpolitik. Wie im Fall der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona arbeiteten die Zentralregierung und die der Autonomen Gemeinschaften gelegentlich eng zusammen, was

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für alle Beteiligten zum Erfolg führte. Der umgekehrte Fall – wie der gescheiterte Versuch des baskischen Parlaments, ein Treffen der kurdischen Exilregierung auszurichten – war eine ausgesprochene Seltenheit. Dieses geplante Treffen sorgte in Madrid für ernste politische Bedenken und verärgerte den türkischen Botschafter in Spanien. Einige der auffälligsten Versuche der Zentralregierung, den internationalen Aktivismus der autonomen Regierungen zu neutralisieren, scheiterten dennoch vollständig. In einem Urteil im Jahr 1994 entschied das Verfassungsgericht zum Beispiel, dass die Delegation der baskischen Regierung in Brüssel einen offiziellen Status genießt, weil Angelegenheiten der EU nicht länger als Teil der "Außenpolitik" betrachtet werden. Die Kontroverse um die ausländischen Büros außerhalb des europäischen Gemeinwesens besteht jedoch fort. Dennoch sind in einem Land, das so große Unterschiede aufweist wie Spanien, symbolische Dimensionen auch für jene Regionen wichtig, die wie Galizien, die Kanarischen Inseln und Aragon nicht notwendigerweise von nationalistischen Parteien regiert werden. Die Autonome Region Extremadura zum Beispiel wurde 1999 von den portugiesischen Medien scharf kritisiert, weil die autonome Regierung die portugiesische Region Alenteio in ihre offiziellen Touristenkarten mit aufgenommen hatte.

Zusätzlich zu diesen symbolischen Dimensionen haben auch wirtschaftliche Themen den internationalen Aktivismus der Autonomen Gemeinschaften beflügelt. Die Gemeinschaften sind daran interessiert, den Außenhandel zu intensivieren, an internationalen Messen teilzunehmen, den lokalen Tourismus zu fördern und Anreize für ausländische Investitionen anzubieten. Die Mitarbeit in der EU hatte einen starken Einfluss darauf, welche Strategie die Autonomen Gemeinschaften im Hinblick auf ihre Rolle in den Außenbeziehungen entwickelten. Als einer der wichtigsten Empfänger europäischer Finanzmittel hat der spanische Staat der Autonomien eine ausgeprägte Sensibilität im Hinblick auf die politischen und institutionellen Implikationen des Integrationsprozesses gezeigt. Europäische Finanzhilfen waren zentral für die Schaffung einer neuen technologischen und Verkehrsinfrastruktur und für die Anhebung der Standards des Sozialschutzes. Sie waren auch der stärkste Antrieb für die Mobilisierung der unteren Regierungsebenen auf der heimischen wie auch auf der internationalen Ebene. Als Ergebnis des weit reichenden Einflusses der EU auf Politikbereiche wie Umwelt, Industrie, Landwirtschaft, Fischerei, Energie oder Bildung fügen die Regional-regierungen darüber hinaus ihrer gesamten politischen Agenda zunehmend eine gewisse europäische Dimension hinzu. Selbst die Erosion der Kompetenzen der unteren Ebenen infolge des europäischen Integrationsprozesses – die entsprechende Klagen dieser Ebenen nach sich zog – hat dazu beigetragen, dass die politische Relevanz der Autonomen Gemeinschaften besser verstanden wird.

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Gegenwärtig wird das politische System, das mit der spanischen Verfassung von 1978 geschaffen wurde, umfassend hinterfragt. Als Folge des neuen politischen Klimas, das seit der Wahl Zapateros in Spanien herrscht, ist das neue katalonische Autonomiestatut jetzt Realität geworden. Das katalonische Statut hat das Tempo für viele andere Reformen vorgegeben und dabei Erwartungen auf eine Normalisierung der internationalen Rolle des Autonomen Staates nach Jahren byzantinischen Streits geweckt. Eine Normalisierung ist dann erreicht, wenn die internationalen Aktivitäten der Regionen innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche als normales Merkmal des politischen Systems Spaniens weithin akzeptiert und anerkannt werden. Ein Zeichen für einen solchen Trend könnte in der aktuellen Reform des Auswärtigen Dienstes Spaniens gesehen werden, die zum ersten Mal – jedenfalls in den ursprünglichen Entwürfen – eine gewisse Rolle der Regierungen der Autonomen Gemeinschaften vorsieht.