Foderalismus und Außenbeziehungen der USA: Die Aktivitäten der Bundesstaaten verstehen

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1787 versammelten sich die Gründer der Vereinigten Staaten von Amerika in Philadelphia, weil die ursprüngliche Verfassung, die Articles of Confederation, die meisten Zuständigkeiten den Staaten übertragen hatte und die entstehende Nation in ihre Einzelteile zu zerbrechen begann. Tatsächlich unterhielten die Regierungen der Bundesstaaten ihre eigenen internationalen diplomatischen Beziehungen und vertraten die Ansicht, dass ihre eigenen Interessen Vorrang vor den Interessen der Konföderation genießen sollten. Beinahe 220 Jahre später sehen wir, dass die Regierungen der meisten Bundesstaaten und sogar die Regierungen einiger größerer Städte erneut auf der internationalen Bühne aktiv sind. Die Bundesstaaten unterhalten gegenwärtig 180 Auslandsbüros, und die meisten Gouverneure führen jedes Jahr Delegationen ihres Bundesstaates ins Ausland.

Der Föderalismus selbst und die Frage, in welchem Verhältnis er zu den gegenwärtigen auswärtigen Beziehungen der USA steht, haben Implikationen, die weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus reichen. Als einzige verbliebene Supermacht der Welt ist der Einfluss der USA in

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jedem Winkel der Welt zu spüren. Die Wirtschaft der USA ist mehr als doppelt so groß wie die zweite führende Volkswirtschaft Japan. Von den Bundesstaaten der USA befänden sich drei – Kalifornien, New York und Texas – unter den 10 größten Staaten in Bezug auf die jährliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen (BIP), 22 von ihnen befänden sich unter den größten 25, 38 unter den größten 50, und alle 50 Bundesstaaten befänden sich unter den 72 größten Volkswirtschaften der Welt. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Bundesstaaten signifikante wirtschaftliche Akteure auf der Weltbühne sein können.

Die Vertreter der Regierungen der Bundesstaaten haben es traditionell als ihre Aufgabe angesehen, die Interessen der Menschen, die sie vertreten, wahrzunehmen und zu schützen. Als Folge der Globalisierung und dessen, was als "schöpferische Zerstörung" bezeichnet wird – die Zerstörung der alten wirtschaftlichen Struktur von innen heraus, mit dem Ziel, eine neue zu schaffen – wird diese Aufgabe jedoch immer komplizierter. Im Rahmen der Globalisierung hängen jetzt etwa 18 Millionen Arbeitsplätze in den USA vom Export, von ausländischen Direktinvestitionen in den USA und von den Aufenthalten ausländischer Touristen ab. Jeder Bundesstaat beansprucht einen Teil dieser Arbeitsplätze für sich und strebt für seine eigene Wirtschaft nach globaler Wettbewerbsfähigkeit. Führende Politiker der Bundesstaaten erkennen den Nutzen, der aus der Eröffnung von Auslandsvertretungen und der Förderung regelmäßiger internationaler Wirtschaftsreisen entsteht. Sie geben sich nicht mehr mit der Förderung der kollektiven Interessen aller Bundesstaaten durch die amerikanischen Botschaften und Konsulate zufrieden.

Die Bundesstaaten wollen sich zudem auf der richtigen Seite der schöpferischen Zerstörung befinden. Jedes Jahr werden in den USA mehr als 600.000 neue Unternehmen gegründet, aber beinahe ebenso viele schließen für immer ihre Türen. Mehr als 30 Millionen neue Arbeitsplätze werden jährlich geschaffen, aber ungefähr 30 Millionen gehen verloren. Während es Silicon Valley im Zeitalter der schöpferischen Zerstörung ausgesprochen gut gehen mag, müssen Städte mit älteren Wirtschaftsstrukturen, wie Detroit, Newark und St. Louis darum kämpfen, überhaupt mithalten zu können. Die Bundesstaaten verstehen, dass ihre Wirtschaft sowohl durch heimische als auch globale Bedingungen beeinflusst wird, und engagieren sich deshalb entsprechend stärker auf internationaler Ebene.

Der amerikanische Föderalismus sieht sich gegenwärtig verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Die erste besteht darin, zwischen den Außenbeziehungen und der Außenpolitik zu unterscheiden. Washington zeigt sich nicht sonderlich besorgt darüber, dass sich die Bundesstaaten in der internationalen Wirtschaft engagieren, indem sie Beziehungen zu anderen Regierungen der unteren Ebenen aufbauen oder ihre internationalen, über die ökonomische Ebene hinausgehenden Beziehungen

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festigen. Die Bundesregierung besteht jedoch darauf, dass sich die Bundesstaaten von der Außenpolitik fernhalten. Beispiele für die Außenpolitik von Bundesstaaten sind etwa die einseitigen Sanktionen, die Massachusetts gegen Burma (Myanmar) und aktuell Illinois gegen den Sudan verhängten. Washington argumentiert, dass verfassungs

rechtlich auschließlich die Bundesregierung für die Außenpolitik zuständig ist und dass die Nation in zentralen außenpolitischen Fragen mit "einer Stimme" sprechen muss.

Die zweite Herausforderung ist die wahrgenommene Erosion der Befugnisse der Bundesstaaten als Folge amerikanischer Verpflichtungen aus internationalen Verträgen. Verschiedene Vertreter der Bundesstaaten haben argumentiert, dass die amerikanischen Verpflichtungen im Rahmen der Welthandelsorganisation, der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) und anderer Organisationen die Bundesstaaten einiger ihrer durch die Verfassung garantierten Befugnisse beraubt haben. Dies trifft besonders im Fall des Chapter 11 des NAFTA-Vertrages zu, der einschränkt, was die Regierungen der Bundesstaaten tun können, um die Umwelt und die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen.

Die dritte Herausforderung besteht in dem Mangel an zwischenstaat-licher Kooperation bei der Bewältigung der Effekte der Globalisierung und der schöpferischen Zerstörung. Vertreter der Regierungen der Bundesstaaten beklagen, dass sie gute Informationen über Importe und Exporte auf lokaler Ebene benötigen, doch Washington verringert gerade im Bereich der Datensammlung seine Aktivitäten, anstatt sie auszuweiten. Dieselben Vertreter sagen zudem, dass es keinen wirksamen Dialog mit Washington etwa über Themen wie Chapter 11 gibt und dass die Konsultationen inadäquat sind, die mit den Bundesstaaten stattfinden, bevor die Bundesregierung in internationalen Verträgen Verpflichtungen eingeht.

Die vierte Herausforderung besteht für alle Regierungsebenen darin, sich stärker in einer effektiven Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor zu engagieren. Die Vereinigten Staaten sind ein echter "Underachiever" im Bereich des Exports; die meisten Unternehmen schicken ihre Produkte einfach nicht ins Ausland. Die Regierungen der Bundesstaaten und der Gemeinden sind bestens dazu gerüstet, auf lokaler Ebene mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammenzuarbeiten und eine Infrastruktur der Weltklasse bereitzustellen, einschließlich eines gewaltig verbesserten öffentlichen Bildungssystems, das die

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Unternehmen dabei unterstützen könnte, weltweit wettbewerbsfähige Güter und Dienstleistungen zu produzieren und diese dann ins Ausland zu exportieren.

Die fünfte Herausforderung ist allen föderalen Systemen gemein. Ist der Föderalismus ein Plus oder ein Minus bei der Bewältigung der Folgen der Globalisierung und des beispiellosen technologischen Wandels? Sind zentralistische Staaten besser gerüstet, um schnell und einheitlich auf internationale Bedingungen zu reagieren? In den Vereinigten Staaten praktizieren einige Bundesstaaten noch immer lokalen Protektionismus, der ausländische Investoren abschrecken könnte. Diese Investoren würden es auch vorziehen, ein einheitliches Gesetzeswerk zu sehen und nicht 50 verschiedene bundesstaatliche Gesetze und zudem ein Bundesgesetz. Die Bundesstaaten vertreten unter Umständen in wichtigen internationalen Fragen verschiedene Standpunkte. Würde eine erweiterte Rolle der Regierungen der Bundesstaaten und der Gemeinden in den Außenbeziehungen im flächenmäßig viertgrößten Land der Welt mit einer Bevölkerung von 300 Millionen Menschen letztlich für den einzelnen amerikanischen Bürger bzw. Bürgerin von Vorteil sein?

Die abschließende Herausforderung besteht für die Regierungen der Bundesstaaten darin zu entscheiden, was sie langfristig international wirklich tun wollen. Es ist beeindruckend, dass die Bundessaaten 180 Auslandsbüros unterhalten – im Vergleich zu vier im Jahr 1980. Im Jahr 2002 jedoch hatten die Bundesstaaten noch 243 Büros in 30 verschiedenen Ländern, was veranschaulicht, wie stark das Thema von den Ansichten des jeweils im Amt befindlichen Gouverneurs abhängt. Die meisten Programme der Bundesstaaten weisen keine ernsthafte langfristige Planung auf, was in auffälligem Gegensatz zu den Ausgaben und den Planungen der großen Provinzen in Kanada steht. Die Regierungen der Bundesstaaten mögen Lippenbekenntnisse abgeben der Art "global denken, lokal handeln", aber ihre Reisen in das Reich der amerikanischen Außenpolitik waren bisher sporadisch und weitgehend ohne langfristige Vision oder institutionelle Kontinuität.