Südafrika: Provinzen spielen die zweite Geige

CHRISTINA MURRA Y / SALIM A. NAKHJA V ANI

Die Zeit vor den demokratischen Wahlen im Jahr 1994 brachte einen massiven Wandel für das völlig isolierte Südafrika. Plötzlich wurde der Pariastaat als neue Demokratie gefeiert und sein Präsident, Nelson Mandela, war eine internationale Ikone. Die Welt umwarb Südafrika, und Südafrika antwortet aus vollem Herzen.

Die Verfassung bestimmt ganz eindeutig, dass die nationale Regierung das ausschließliche Recht hat, internationale Abkommen zu unterzeichnen. Dennoch haben Südafrikas neun Provinzen und auch viele Städte enthusiastisch internationale Verbindungen aufgebaut. Es bleibt aber umstritten, in welchem verfassungsrechtlichen Kontext sich die Provinzen und Städte in internationalen Beziehungen engagieren und welche Rolle sie bei Verträgen des Landes spielen, die ihre Zuständigkeiten berühren.

Der erste internationale Auftritt von Offiziellen der unteren Bundesebenen war weitgehend eine Sache von Partnerschaften und Festivitäten. Viele ehrgeizige Abkommen wurden geschlossen, die aber, obwohl sie durch eine ernsthafte Offenheit motiviert waren, außer Papier und gegenseitigen Besuchen wenig Greifbares hervorbrachten.

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Jetzt, da die wirklichen Herausforderungen der Transformation des rassistisch verzerrten wirtschaftlichen und sozialen Systems besser bekannt sind, beginnt sich der Enthusiasmus der Provinzen und Städte für internationale Beziehungen in Abkommen mit konkreten wirtschaftlichen Vorteilen oder sozialem Wert für die ganze Bevölkerung niederzuschlagen. Es gibt eine Verschiebung hin zu zielgerichteten Vereinbarungen, die von den sozioökonomischen Prioritäten des Landes bestimmt werden und auf eine bessere Ausrichtung auf die nationalen Ziele der Außenpolitik zielen. Die Provinz Eastern Cape, von deren 7-Millionen-Bevölkerung ein Viertel keine Schulbildung besitzt und die 2003 eine Arbeitslosenquote von 31 Prozent verzeichnete, ebnete den Weg, indem sie sich auf projektspezifische Abkommen mit Entwicklungspartnern konzentrierte. Andere Provinzen folgten bald.

Da sich die Akteure auf Provinzebene darauf konzentrieren, die Finanzierung durch Geber sicherzustellen, hat das nationale Finanzministerium massiv auf die Zentralisierung der Rechenschaftslegung hinsichtlich der Ver wendung dieser Hilfe hingewirkt. Im Namen der finanzpolitischen Aufsicht begann die nationale Regierung damit, dass Feld der internationalen Beziehungen der Provinzen zu besetzen.

Humanitäre Belange haben ebenfalls eine Art afrikanischen Regionalismus gefördert, der konkretere Vorteile hervorbringt als frühere Initiativen. Zum Beispiel stellt die Provinz Kwazulu-Natal ihre kostenlosen Gesundheitsleistungen mit stillschweigender Billigung auch für Einwohner von Swaziland und Mozambique bereit, die zu diesem Zweck die Grenze überqueren.

Obwohl die internationalen Auftritte der Provinzen zunehmend mit den nationalen Zielen übereinstimmen, stimmen sich Provinzen und Städte bezüglich ihrer internationalen Beziehungen untereinander oder mit der Nationalregierung kaum ab – mit manchmal peinlichen Folgen. Um solche Verwirrung und Ineffizienz zu verringern, hat das für die Provinzregierungen und Städte zuständige nationale Ministerium zuerst Richtlinien für die internationalen Beziehungen der Städte veröffentlicht und dann mit der Arbeit an einem politischen Rahmen für die internationalen Beziehungen der Provinzen begonnen. Inzwischen hat die Provinz Kwazulu-Natal einen eigenen Entwurf eines solchen politischen Rahmens als de facto bestes Verfahren in Umlauf gesetzt. Dieser pragmatische Ansatz hat Fragen nach der Legalität der von Provinzen und Städten geschlossenen internationalen Abkommen in den Hintergrund gedrängt und die Grenze zwischen den legitimen internationalen Beziehungen der Provinzen und den Abkommen, die in den Einflussbereich der nationalen Ebene eindringen, außer Acht gelassen.

Aber trotz des Bestrebens der Provinzen und Städte bleiben die internationalen Aktivitäten der Provinzen und Städte im Rahmen der Verfassung Südafrikas wahrscheinlich von untergeordneter Bedeutung.

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Viele Abkommen, die die nationale Regierung abgeschlossen hat, haben im Gegensatz dazu jedoch signifikante Auswirkungen auf die Provinzen und Städte.

Eines der Merkmale Südafrikas sind die konkurrierenden Befugnisse der Provinzen im Handel, der Landwirtschaft, dem Gesundheitswesen und der Umwelt – alles Bereiche, die einen großen Teil der internationalen Agenda Südafrikas ausmachen. Darüber hinaus sieht die Verfassung vor, dass die Provinzen in der Regel die nationalen Gesetze in diesen Angelegenheiten vollziehen. Damit haben die Provinzen aus zwei Gründen ein vitales Interesse an internationalen Abkommen auf diesen Gebieten: Sie berühren Zuständigkeiten der Provinzen, und die Provinzen müssen diese Abkommen wahrscheinlich umsetzen.

Dieser verfassungsmäßige Rahmen legt den Schluss nahe, dass die Provinzen in den Bereichen konkurrierender Zuständigkeiten an den Verhandlungen über internationale Abkommen beteiligt werden sollten. Die Provinzen müssen der Ratifizierung einiger internationaler Verträge durch ihre Vertretung in der zweiten Kammer des nationalen Parlaments, dem Nationalrat der Provinzen (NCOP), zustimmen. Ironischerweise jedoch muss der NCOP Abkommen, wenn sie einen "technischen, administrativen oder exekutiven" Inhalt haben – also genau die Inhalte, die am wahrscheinlichsten Grund zu Bedenken von

Seiten der Provinzen aufwerfen könnten, – nicht zustimmen, sondern nur behandeln.

Im verfassungsrechtlichen Rahmen einer "kooperativen Regierung", in dem die nationale Regierung die Provinzen und Städte beteiligt, wenn sie Abkommen aushandelt, die deren Angelegenheiten berühren, würde dieses verfassungsrechtliche Versäumnis unwichtig erscheinen. Zu einer Beteiligung der Provinzen und Städte kommt es aber nur selten. Es gibt einen eindeutigen Bedarf für einen Rahmen, der die Zusammenarbeit zwischen den Provinzen und der nationalen Regierung strukturiert. Andernfalls werden im Namen finanzpolitischer Rechenschaftslegung und aus Überlegungen des Risikomanagements die internationalen Beziehungen der unteren Ebenen von der Zentralregierung beschnitten.

Es gibt Ausnahmen bei der Zurückhaltung der nationalen Regierung, die Provinzen in internationale Verhandlungen zu Belangen gemeinsamer Zuständigkeit mit einzubeziehen. Die signifikantesten Ausnahmen finden sich im Bereich der Umwelt, in der die entsprechenden Ministerien die Behörden der Provinzen mit ihrem Expertenwissen als Partner bei der Umsetzung beiziehen. Der durch ein Abkommen zwischen Lesotho und Südafrika geschaffene und von der Global Environment Facility finanzierte Maloti-Drakensberg Transfrontier Park – ein ehrgeiziges Fünf

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Jahres-Projekt, das die Erhaltung der Umwelt durch naturnahen Tourismus fördert –, ist ein exzellentes Beispiel dafür. Die Provinz Kwazulu-Natal war an den Verhandlungen beteiligt, und die Umweltschutzbehörde der Provinz wurde von der südafrikanischen Seite mit der Umsetzung beauftragt.

Südafrikas mehrschichtige Regierung ist noch jung: Die Provinzen und Städte bemühen sich darum, ihrer Bevölkerung Wohnraum bereitzustellen, Renten zu zahlen und Schulen zu verwalten. Die internationalen Aktivitäten sollten deshalb keine Ausflugsgelegenheiten für die Beamten sein, sondern sich in Initiativen widerspiegeln, die die heimischen Bedürfnisse zum Thema haben. Die gegenwärtige starke Tendenz zu Zentralisierungen in der nationalen Regierung und die Unsicherheit über die Zukunft der Provinzen legen den Schluss nahe, dass die Einbeziehung der unteren Regierungsebenen Südafrikas in die internationalen Beziehungen einstweilen wahrscheinlich von einer schlichten Entscheidung zwischen einer Anpassung an nationale Rahmen oder fortlaufender, aber letztendlich nicht nachhaltiger ad-hoc Engagements abhängt.