Lokale Gebietskörperschaften in Österreich: Gemeinsame Wahrnehmung der Aufgaben

ANDREAS KIEFER / FRANZ SCHAUSBERGER

Die Gemeinden sind die kleinsten Verwaltungseinheiten, autonomen wirtschaftlichen Akteure und selbstverwalteten politischen Gebietseinheiten der acht Länder Österreichs. Wien bildet dabei eine Ausnahme, es ist ein Land und zugleich eine Gemeinde. Die Durchschnittsgröße der österreichischen Gemeinden ist mit 3.400 Einwohnern eher gering. Etwa die Hälfte der Gemeinden zählt weniger als 2.500 Einwohner. Dessen ungeachtet hat die Zahl der Gemeinden von 1976 bis 2006 um 2,5 Prozent von 2.300 auf 2.358 zugenommen. Starke Gemeinden werden als eine der Grundvoraussetzung dafür gesehen, einen hohen Grad an Mitwirkung und Beteiligung der Bürger und eine starke, demokratische Rechenschaftspflicht von Seiten der Politiker sicherzustellen.

Die politischen Organe einer Gemeinde sind der Bürgermeister, der Gemeinde- oder Stadtrat und der Gemeindevorstand. Der Gemeinderat wird direkt von der lokalen Bevölkerung gewählt. Seit den 1990er Jahren sind in sechs Ländern verfassungsmäßige Regelungen getroffen worden, die die Direktwahl des Bürgermeisters vorsehen. Im Allgemeinen wird die

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Kombination von Elementen eines Präsidentialsystems mit einem parlamentarischen System nicht besonders geschätzt, auch wenn sie politisch unabänderlich ist.

Die starke rechtliche Lage und wichtige Rolle der Gemeinden im öffentlichen Leben Österreichs geht auf das Jahr 1849 zurück, als die freie Gemeinde zur Grundlage des durch die Revolution des Jahres 1848 gegründeten freien Staates erklärt wurde. Schon damals wurde in den Bestimmungen festgelegt, dass es den Gemeinden

erlaubt ist, sowohl in autonomen als auch übertragenen Kompetenzbereichen zusammenzuarbeiten.

Die Bundesverfassung anerkennt eine funktionelle Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips genießen die Gemeinden einen hohen Grad an Autonomie. Diese wurde 1962 durch eine Verfassungsänderung erweitert und spiegelt sich in den Verfassungen der Länder wider: Der Kompetenzbereich einer Gemeinde umfasst alle Angelegenheiten, die ausschließlich oder hauptsächlich das lokale Gemeinwesen betreffen und von der Gemeinde innerhalb ihrer örtlichen Grenzen ausgeführt werden können. Darin spiegeln sich auch die Prinzipien der Subsidiarität und Demokratie wider.

Der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund und deren entsprechende Länderorganisationen vertreten die Interessen der Mitgliedsgemeinden gegenüber dem Bund und den Ländern und sind von der Bundesverfassung anerkannt.

Das Finanzausgleichsprogramm, ein nach Verhandlungen der Bundesregierung mit den Ländern und Gemeinden für vier oder fünf Jahre verabschiedetes Bundesgesetz, wurde oft von nachträglich einseitig auferlegten Aufgaben ohne entsprechende Finanzierung untergraben. Dies führte zu neuen, unvorhergesehenen administrativen und finanziellen Belastungen der Länder und Gemeinden.

1998 gab ein Bundesverfassungsgesetz den beiden Vereinigungen die Vollmacht, im Namen der Gemeinden Vereinbarungen mit dem Bund und den Ländern abzuschließen, um einen Beratungsmechanismus für die Erlassung neuer Gesetze einzurichten und um Stabilitätspakte zu unterzeichnen. 1999 folgte ein Abkommen, das sowohl die Bundesregierung als auch die Regierungen der Länder dazu verpflichtet, die anderen Partner über Gesetzgebungsvorlagen und die voraussichtlich damit verbundenen administrativen und finanziellen Auswirkungen auf andere Regierungen zu informieren. Nach erfolgter Information muss in

Andreas Kiefer / Franz Schausberger

Verhandlungen ein Konsens erreicht werden. Wird kein Konsens erreicht oder der Konsultationsprozess nicht eingehalten, muss die fehlerhafte Regierung – ob es sich nun um den Bund oder ein Land handelt – die Kosten der Gesetzgebung tragen.

Österreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat 1995 den rechtlichen Rahmen für Gemeinden in den Bereichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Verträge, haushaltsrechtliche Beschränkungen usw. bedeutend verändert. Im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion mussten Maßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass Österreich die Richtlinien der EU bezüglich der erlaubten Obergrenze des öffentlichen Defizits von 3 Prozent des österreichischen Bruttosozialproduktes erfüllt. Der erste österreichische Stabilitätspakt von 1999, der darauf abzielte, die Haushaltspolitiken auf allen drei Ebenen zu koordinieren, wies dem Bund mit 2,7 Prozent die größte Quote zu. Die verbleibenden 0,3 Prozent teilten sich die Länder und die 2.358 Gemeinden. Der gegenwärtige, von 2005 bis 2008 gültige Pakt schreibt vor, dass der Bund, die Länder und die Gemeinden dazu beitragen müssen, die im europäischen Stabilitätspakt fixierten österreichischen Ziele zu erreichen. Der Bund muss sein Haushaltsdefizit, das 2005 2,4 Prozent des BIP betrug, bis 2008 auf 0,75 Prozent verringern, die Länder – einschließlich Wiens – werden mit einem Überschuss von zwischen 0,6 Prozent im Jahre 2005 und 0,75 Prozent im Jahre 2008 dazu beitragen und die Gemeinden mit einem gesamthaft gesehen ausgeglichenen Etat. Ausgleiche unter den Partnern sind möglich.

In den 1960er und 1970er Jahren haben vier Länder in großem Rahmen Gemeinden zusammengelegt. Unterösterreich hat die Anzahl der Gemeinden von 1.652 auf heute 574 verringert. Im Burgenland und in Kärnten wurden jedoch viele nach mehreren Jahren wieder getrennt. Seitdem haben die Bundes- und Länderregierungen Maßnahmen ergriffen, um die Struktur der Gemeinden zu schützen. In ihrem Koalitionsabkommen im Januar 2007 kündigte die neue Bundesregierung an, dass eine Änderung der Bundesverfassung weitere Bestandsgarantien für Gemeinden enthalten soll: Änderungen an der Struktur einer Gemeinde werden danach nur noch mit der Zustimmung der Bevölkerung der betroffenen Gemeinde möglich sein, und alle Gemeinden sollen weiterhin unabhängig von ihrer Größe die gleichen Rechte und Pflichten haben. Um trotz der geringen Größe einiger Gemeinden adäquate Leistungen und eine verantwortungsbewusste Regierungsführung sicherzustellen, werden die rechtlichen Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden erweitert

auch über die Ländergrenzen hinaus. Bund, Länder und Gemeinden soll es möglich sein, im öffentlich-rechtlichen Bereich zusammenzuarbeiten und gemeinsame Einrichtungen für wirtschaftliche Tätigkeiten zu schaffen, um zur Verbesserung des Kundenservices Abläufe zu beschleunigen und Fachkompetenzen zu bündeln.

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Die Kommunalver waltungen erfüllen sowohl eigene autonome Aufgaben als auch solche, die ihnen vom Bund beziehungsweise dem entsprechenden Land aufgetragen wurden. Sie sind für eine große Auswahl von öffentlichen Dienstleistungen zuständig, wie beispielsweise der Bereitstellung von Infrastruktur, Kindergärten, Altenheimen usw. Innerhalb ihres Kompetenzbereichs sind sie zwar aufsichtspflichtig, Bund und Länder können ihnen aber keine Weisungen erteilen. Die Länder und der Bund haben je nach Umständen das Recht auf Auskunft; das Recht, rechtswidrige örtliche Beschlüsse aufzuheben; das Recht, örtliche Verordnungen zu genehmigen; und das kaum je angewandte Recht, den Gemeinderat aufzulösen. Die Länder überwachen zudem den Haushalt der Gemeinden in Bezug auf seine Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und Zweckmäßigkeit. Die Bedingungen der Kontrolle variieren von Land zu Land beträchtlich. Bei den übertragenen Aufgaben sind die Gemeinden jedoch an die von den Bundes- und Länderbehörden gegebenen Anweisungen gebunden.