Verwaltung und Steuerung der Metropolregionen in Mexiko: Von der Theorie zur Praxis

BORIS GRAIZBORD

Unabhängig von ihrer geografischen, demografischen oder wirtschaftlichen Größe konzentrieren die Gemeinden in den größeren mexikanischen Großstadtregionen ihre Bemühungen auf zwei Hauptziele: ein starkes und wettbewerbsfähiges wirtschaftliches Umfeld zu schaffen und das Wohlergehen ihrer Einwohner durch die Bereitstellung von Dienstleistungen zu verbessern. Sie bemühen sich, neue entwicklungsfördernde wirtschaftliche Gelegenheiten zu schaffen und ihr Leistungsvermögen bei der Generierung direkter Einnahmen zu erhöhen, um den durch das Stadtwachstum erzeugten Druck besser steuern und durch die Einrichtung und Konsolidierung entsprechender Einrichtungen schneller auf die Bedürfnisse der Bürger reagieren zu können. Während der Transition des Landes zu demokratischer Herrschaft wurde erkannt, dass die Bürger den lokalen Autoritäten mehr Vertrauen zu schenken pflegen als den Staaten oder der Bundesverwaltung.

Die bereits in der mexikanischen Verfassung von 1917 als Gebietskörperschaften der untersten Stufe anerkannten Gemeinden spielen trotz

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ihrer finanziellen Schwäche seit jeher eine strategische politische und kulturelle Rolle. Gegenwärtig leben über 50 % der Gesamtbevölkerung in Gemeinden von Metropolregionen, wo sich zudem fast 80 % des Bruttoinlandsproduktes konzentrieren. Aber die

Kommunalbehörden der Metropolregionen sehen sich mit mehreren Schwierigkeiten konfrontiert. Sowohl auf Staatsebene als auch im Großstadtbereich pflegen sie eine unbedeutende Rolle bei der Entscheidungsbildung zu spielen. Ihre Kreditfähigkeit ist äußerst beschränkt, da ihre Haupteinnahmequelle an Bedingungen geknüpfte Transferzahlungen des Bundes sind. Dazu kommt, dass die öffentlichen Ausgaben immer mehr dezentralisiert werden, während die Steuererhebung noch immer zentralisiert durch den Bund erfolgt. Den Kommunalbehörden mangelt es an verwaltungstechnischer Kapazität, um innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches

Interessengruppen zu mobilisieren und das Wachstum der Städte, das im Rahmen einer jegliche partizipatorische Planung und Beschlussfassung gefährdenden "Kultur der Illegalität" erfolgt, unter Kontrolle zu halten. Nicht zuletzt müssen sie sich der wachsenden armen Stadtbevölkerung in irregulären Siedlungen annehmen, die die Kosten für ihre zunehmende Nachfrage nach öffentlichen Dienstleitungen nicht tragen können.

Globale Transformationen üben einen wesentlichen Einfluss auf die Großstadtregionen aus und führen dazu, dass die Kommunalbehörden sich mit Problemen konfrontiert sehen, die über ihre Grenzen und die direkten Grundbedürfnisse ihrer Bürger hinausreichen. Aber trotz eines fehlenden rechtlichen Rahmens, der einer möglichen Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden Platz bieten würde, kann man einige Beispiele "guter Praxis" beobachten. Institutionelle Bemühungen der drei Regierungsebenen unter Artikel 115 der mexikanischen Verfassung, die die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen durch die Gemeinden vorschreibt, führten zur Einrichtung von sowohl Einzweck- als auch Vielzweck-Koordinierungsstellen für die Großstädte. Ein Beispiel dafür sind die Ausschüsse, die während der letzten zwei Jahrzehnte für den Ballungsraum Mexiko Stadt gebildet wurden. Auf Gemeindeebene reagieren beispielsweise Leon und Silao, zwei mittelgroße Städte im Westen Zentralmexikos, mit Gemeinschaftsinitiativen ihrer Gemeinden auf den Druck, der durch das städtische und industrielle Wachstum verursacht wird. Ein weiteres Beispiel sind die verschiedenen Staaten angehörenden Gemeinden im Ballungsgebiet La Laguna, die sich dank des politischen Bewusstseins und der Aufmerksamkeit ihrer Bürgermeister

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bemühen, als Reaktion auf den stagnierenden Industriezweig der maquiladoras eine konkurrenzbetonte Großstadtwirtschaft zu konsolidieren.

Angesichts dieser und anderer Beispiele kann in der von der neuen Bundesbehörde für Stadtwachstum vorgeschlagenen interkommunalen"

Entwicklung" implizit ein erhöhtes Interesse an der Einrichtung neuer und der Verstärkung bestehender Stadtkoordinierungsstellen gesehen werden. Für die Verwaltung und Leitung müssen jedoch institutionelle Absprachen zwischen den Städten ausgearbeitet werden. Was sind die Optionen? Theoretisch könnte jede Gemeinde entscheiden, welche und wie viele Güter und Dienstleistungen sie bereitstellt und die Haushalte sozusagen "mit den Füßen wählen" lassen. Oder eine Stadtbehörde könnte Differenzen innerhalb des gesamten Stadtbereichs überbrücken. Beide Lösungen würden praktische Schwierigkeiten aufwerfen. Es stellt sich die Frage, wie das Interesse an der Entwicklung wettbewerbsfähiger Stadtgebiete mit der Bereitstellung gerechter und effizienter Dienstleistungen für die Einwohner unter einen Hut gebracht werden kann.

Es wird allgemein anerkannt, dass es kein Regierungsmodell gibt, das auf alle Stadtregionen des Landes angewandt werden kann. Aber es gibt eine Aufgabe für größere Regierungseinheiten: Sie besteht in der Kontrolle der Luftverschmutzung, der Wasser versorgung und des Kanalisationssystems, der Massenverkehrsmittel und der Umverteilung des Einkommens zur Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der ärmeren Gemeinden. Es gibt aber auch viele, die argumentieren, dass es vorteilhafter wäre, eine Reihe differenzierter Kommunalverwaltungen zu haben, anstatt einer zentralisierten, regionsweiten, bürokratischen Stadtregierung. Sie denken, dass es der Politik mehr Spielraum eröffnet, und anstatt des Wettbewerbs die Zusammenarbeit fördert, wenn jede Regierungsebene innerhalb ihres Kompetenzbereichs autonom ist. Dezentralisation im Sinne von mehreren konkurrierenden Kommunalverwaltungen in einer Stadtregion scheint zudem eine wirksame und leistungsfähige Struktur darzustellen, um eine größere Vielfalt an Dienstleistungen bereitzustellen und um die diversen Bedürfnisse der Verbraucher und eine heterogene Nachfrage zu befriedigen.

In einem komplexen und unsicheren Umfeld wie dem Ballungsgebiet von Mexiko Stadt mit seinen 20 Millionen Einwohnern oder den drei weiteren Großstädten Mexikos mit jeweils um die 5 Millionen Einwohnern können Vereinheitlichungen und Verwaltungsferne Ineffizienzen verursachen und dazu führen, dass die Qualität der Dienstleistungen für bestimmte Gebiete und Bevölkerungsgruppen unzulänglich ist, während andere mit Leistungen bedacht werden, die sie nicht nutzen können. Man hört auch das Argument, dass für Kommunalbehörden immer die Möglichkeit besteht, die Rolle des "Trittbrettfahrers" zu spielen und von der Bereitstellung von "Armenfürsorge" als eine öffentliche Leistung

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abzusehen. Andere jedoch bestätigen, dass bestimmte Leistungen besser erbracht werden können, wenn die Vorteile einer größeren, zentralisierten Organisation genutzt werden. In Anbetracht ihrer begrenzten finanziellen, verwaltungstechnischen und menschlichen Ressourcen stehen die Gemeindebehörden außerdem ständig unter Nachfragedruck und sind sich selten qualitativer Normen bewusst oder selbst aktiv in der Entwicklungsförderung tätig. Wäre es also möglich, dass es allen besser ginge in einem zentralisierten Regierungssystem?

In punkto Verwaltungsföderalismus, der Alternative zu einer völlig zentralisierten bzw. einer dezentralisierten Machtverteilung, ist in Mexiko auf die Frage, wie viele und welche Bürger zur Bereitstellung eines gemeinsamen Gutes in einer Gruppe zusammengefasst werden sollen, noch keine Antwort gefunden worden. Um die Aufgaben funktionell zu trennen, ist ein rechtlicher Rahmen erforderlich: Die Zentralregierung könnte die Gesetze erlassen, während die unteren Regierungsstufen die Bereitstellung der Dienstleistungen verwalten und steuern.

Aber die Gemeindeverwaltungen Mexikos scheinen einer weiteren Belastung gegenüberzustehen. Das jüngste Interesse an den Auswirkungen der Klimaveränderung und die aktive Rolle, die die mexikanische Bundesregierung in dieser Angelegenheit spielen möchte, machen es auch erforderlich, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Umweltprobleme bezeichnenderweise bereichsübergreifend und größenunabhängig sind und deshalb nicht nur die nationalen und globalen Ebenen betreffen, sondern auch die lokalen.