Österreich: Versagen des Verfassungskonvents. Keine Änderungen im föderalen System

ANNA GAMPER

Die Republik Österreich ist eines der "ältesten" föderalen Systeme in Europa. Sie wurde 1918 von der Provisorischen Nationalversammlung als Republik Deutschösterreich aus den deutschsprachigen Ländern des früheren Österreichisch-Ungarischen Kaiserreichs und nach deren Willen geschaffen. 1945, nach dem 2. Weltkrieg, wurde sie wiedererrichtet. Die Bundesverfassung, die auf das Verfassungsgesetz von 1920 zurückgeht, ist viele Male verändert und durch zahlreiche zusätzliche föderale Verfassungsgesetze und Vorschriften ergänzt worden. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Österreich 2003 einen Verfassungskonvent einberief, der aus 70 Experten und Funktionsträgern, einschließlich der Repräsentanten der 9 Bundesländer, bestand und der vom Präsidenten des Bundesrechnungshofes geleitet wurde. Seine Aufgabe bestand darin, eine neue föderale Verfassung auszuarbeiten und diese Anfang 2005 vorzulegen. Die Absicht dabei war nicht einfach nur, ein umfassendes Verfassungsdokument zu schaffen, sondern die Substanz der gegenwärtig gültigen Verfassung zu modernisieren und insbesondere das föderale

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System zu reformieren. Der Verfassungskonvent war jedoch nicht in der Lage, einen Kompromiss zwischen den politischen Parteien und zwischen dem Bund und den Ländern herbeizuführen, so dass eine umfassende Reform des föderalen Systems gegenwärtig unwahrscheinlich ist. Ein Parlamentsausschuss soll nun einige der Reformthemen aufgreifen, aber die konservative Regierung sieht sich der Schwierigkeit gegenüber, dass jede Verfassungsreform der Zustimmung der großen Oppositionspartei – der Sozialdemokraten – bedarf.

Mögliche Veränderungen bestehen in Modifikationen der Zusammensetzung und der Funktionen des Bundesrates, der Länderkammer des Bundesparlaments. Die Mitglieder des Bundesrates werden von den Länderparlamenten im Rahmen des Verhältniswahlrechts entsprechend der Zahl der Bürger ihres Bundeslandes gewählt. In der Regel hat der Bundesrat lediglich das Recht, gegen ein vom Nationalrat verabschiedetes Gesetz Einspruch einzulegen, der aber vom Nationalrat mit einem qualifizierten Quorum abgewiesen werden kann. Es gibt nur einige wenige Fälle, in denen der Bundesrat das Recht eines absoluten Vetos genießt, etwa bei Gesetzen, die die Befugnisse der Länder schmälern. Dieses absolute Veto-Recht ist bisher noch nie ausgeübt worden, und auch das aufschiebende Veto kam bisher erst in ganz wenigen Ausnahmefällen zur Anwendung. Dies beruht darauf, dass die Mitglieder des Bundesrates mit ihren politischen Freunden im Nationalrat eng verbunden sind, was sie davon abhält, Gesetzen ihre Zustimmung zu verweigern, die von einer Mehrheit der Nationalversammlung beschlossen wurden. Die Frage ist deshalb, ob ein anderes Auswahlverfahren (z.B. Nominierung durch den Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau oder Direktwahl durch die Bürger und Bürgerinnen eines Bundeslandes) oder eine engere Verbindung zwischen den Länderparlamenten und ihren Delegierten die Vertretung der Länderinteressen im Bundesrat verbessern würde.

Ein anderes Thema ist eine mögliche Transformation des Systems der indirekten Bundesverwaltung zu einer direkten Vertretung der Länder. Gegenwärtig sind die Landeshauptleute – und die Unabhängigen Ver waltungssenate – in der Lage, die wesentlichen Verwaltungsaufgaben des Bundes in dessen Auftrag zu erfüllen. Veränderungen hinsichtlich der Aufteilung der Zuständigkeiten könnten deshalb zu einer Ausdehnung der administrativen Länderbefugnisse führen, obwohl das die Länder nicht für den Verlust an Gesetzgebungskompetenzen entschädigen würde, den sie voraussichtlich erleiden werden.

Obwohl die Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse vom Bund und von den Ländern gemeinsam wahrgenommen werden, bleibt das Rechtssystem ausschließlich im Verantwortungsbereich des Bundes. Dies könnte sich jedoch ändern, da der Verfassungskonvent die Einführung von Verwaltungsgerichten der Länder empfohlen hat. Diese Gerichte würden die gegenwärtig arbeitenden unabhängigen Verwaltungssenate

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ersetzen. Damit würde die Verwaltungsgerichtsbarkeit stärker dezentral ausgerichtet und nicht mehr von einer zentralen Institution, dem Verwaltungsgerichtshof, ausgeübt werden.

Die Bundesverfassung definiert das System der Legislative und der Exekutive in den Ländern. Sie bestimmt das Wahlverfahren und die Rolle der Landesparlamente, der Länderregierungen und der Landeshauptleute, wobei sie es den Verfassungen der Länder ermöglicht, detailliertere und ergänzende Vorschriften zu erlassen. Zusätzlich zu den sich explizit auf die Länder beziehenden Regeln der Bundesverfassung hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt implizite Homogenitätsstandards auf die Verfassungen der Länder angewendet. Dennoch spiegeln die Systeme der Legislative und der Exekutive in den Ländern das System auf Bundesebene nicht vollständig wider. Zum Beispiel bestehen weder die Länderparlamente aus zwei Kammern noch werden die Landeshauptleute direkt gewählt (wie das beim Bundespräsidenten der Fall ist). Die Landesregierungen und Landeshauptleute werden durch das Landeparlament entweder nach dem Verhältnis- oder dem Mehrheitswahlrecht gewählt, während die Bundesregierung durch den Bundespräsidenten ernannt wird. Bevor sie ihr Amt antreten, legen die Landeshauptleute vor dem Bundespräsidenten ihren Amtseid auf die Bundesverfassung ab.

Die Länder werden auf der Ebene der Bundeslegislative direkt im Bundesrat repräsentiert. Umgekehrt unterliegt die Gesetzgebung der Länder der Aufsicht des Bundes, der in einigen Fällen sogar verhindern kann, dass ein Landesgesetz in Kraft tritt. Der Bundespräsident greift formal in die Länderebene ein, indem er die Landeshauptleute ernennt

und sogar das Recht hat, die Länderparlamente

aufzulösen, was jedoch in der Praxis noch nie geschehen ist.

Der Status der Länder wäre eindeutig schwächer, gäbe es nicht zahlreiche gesetzliche wie auch informelle Instrumente der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, wie die Landeshauptleutekonferenz und die Integrationskonferenzen der Länder, das Verbindungsbüro der Länder sowie privatrechtliche Verträge wie auch Verträge des öffentlichen Rechts zwischen dem Bund und den Ländern. Im Bereich des fiskalischen

Föderalismus, in dem der Bund noch immer die dominierende Rolle spielt, haben die beiden Regierungsebenen viele Instrumente der zwischenstaatlichen Koordination entwickelt.

Obwohl die Kommunalverwaltungen eine dritte Ebene in Österreich bilden, sind die Gemeinden keine konstituierenden Elemente des Bundes. Ihre grundlegende Struktur wird durch die Bundesverfassung bestimmt, aber detailliertere Vorschriften hinsichtlich der Kommunalverwaltungen

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bleiben der Gesetzgebung der Länder überlassen. Die Verbände der Gemeindevertreter sind am fiskalischen Föderalismus beteiligt, aber das ist beinahe das einzige Zeichen eines "Drei-Ebenen-Föderalismus".

Der Verfassungskonvent war mit einer Fülle von Reformoptionen konfrontiert. Es wird eine sehr schwierige Aufgabe sein, eine passende Lösung zu finden, die die föderalen Regierungsstrukturen mit den Herausforderungen der Mitgliedschaft in der EU verbindet. Insbesondere die zukünftige Rolle der Landesparlamente wird von entscheidender Bedeutung sein, da jeder weitere Machtverlust der Länder das gesamte föderale System infrage stellen würde.